Auch Engel Moegens Heiss
Aus der Nähe hatte er sehen können, wie fein und seidig ihre Haut war, fast wie die eines Babys, und ihm waren diese bestechenden Augen aufgefallen, eines blau, eines grün. Sie ließen ihren Blick eigenartig eindringlich wirken, fast als könne sie tiefer sehen als andere Menschen. Und wenn sie wütend wurde, war sie einfach bildhübsch mit ihren roten Wangen und den sprühenden, funkelnden Augen. Schon da hatte er sich vorgenommen, in Zukunft öfter in die Bücherei zu gehen - aber dann hatte er sie gestern Abend im Buffalo Club wieder erkannt und beinahe ein Dutzend Leute über den Haufen gerannt, um bei ihr zu sein, ehe sie in dem Getümmel verletzt wurde, ganz zu schweigen davon, dass er sie von dem Schoß dieses Trottels zerren wollte.
Sie würde ihm ganz bestimmt Schwierigkeiten machen, aber damit würde er schon fertig - und zwar mit Vergnügen.
Sykes war stinksauer. Gestern Abend war Mitchell drüben in Huntsville im Buffalo Club aufgetaucht, aber bis Sykes dort angekommen war, war er längst wieder weg. Nur die Hilfssheriffs hatten überall rumgeschnüffelt, um nach einer Prügelei wieder Ordnung zu schaffen. Natürlich war das reines Pech gewesen, aber er war trotzdem stinksauer; wäre er eine halbe Stunde früher dort gewesen, hätte er alles regeln können, und sie bräuchten sich nicht mehr mit Mitchell rumärgern.
Immerhin wusste er, dass Mitchell inzwischen wieder auf der Pirsch war und sich nicht mehr in seinem Loch verkroch. Das erhöhte die Wahrscheinlichkeit, ihn irgendwo zu erwischen, doch bislang war Sykes kein Glück beschieden. Dieser Scheißer war gerissener, als er gedacht hatte, wenn auch nicht so gerissen, dass er die Ware nicht gleich umgebracht hätte.
Zum Glück schuldete ihm der Barkeeper im Buffalo Club, der ihn sofort angerufen hatte, mehr als nur einen Gefallen. Als Sykes am Sonntag vor seiner Haustür auftauchte, wirkte er nicht gerade glücklich, aber auch nicht überrascht.
»Hey, ich hab dich angerufen, sobald ich ihn gesehen habe«, erklärte Jimmy, wobei sein Blick unruhig hin und her zuckte, als hätte er Angst, dass jemand sie zusammen sehen könnte. »Aber gleich danach hat irgendein Idiot eine Rauferei angefangen, und alle sind abgehauen.«
»Kein Problem«, beruhigte ihn Sykes. Er war nicht gekommen, um Jimmy die Hölle heiß zu machen. »Hast du gesehen, ob er mit jemandem zusammen war?«
»Gesehen hab ich nichts, aber er hat zwei Drinks bestellt. Ein Bier für sich und eine Cola.«
Also hatte sich der gute alte Mitchell schon das nächste Mädchen geangelt oder es wenigstens versucht; und da er wegen der Rauferei ziemlich sicher nicht zum Zug gekommen war, würde er bei nächster Gelegenheit sein Glück noch mal probieren. Heute nicht; am Sonntag waren die Bars geschlossen. Aber morgen Abend bestimmt wieder. Und würde er wieder im Buffalo Club auftauchen? Vielleicht, wenn er auf dieses eine Mädchen aus war, aber wie standen die Chancen schon, dass dasselbe Mädchen am Montagabend gleich wieder aufkreuzte? Dazu müsste sie ein echtes Club-Häschen sein. Möglich war es trotzdem.
»Halt morgen die Augen nach ihm offen«, sagte Sykes. »Ich glaube eigentlich nicht, dass er kommt, aber man weiß nie. Und dann sollte er leichter zu entdecken sein als am Wochenende.
« Damit hatte er Jimmy eine Entschuldigung verschafft, dass er Mitchell nicht früher bemerkt hatte.
Jimmy grinste erleichtert, da er jetzt wusste, dass Sykes nicht sauer war. »Glaubst du? Bei uns ist es eigentlich immer ziemlich voll, aber stimmt schon, am Wochenende war es richtig schlimm.«
Sykes steckte ihm einen zusammengefalteten Hunderter zu, und zwar so, dass der Betrag zu sehen war. »Du warst auf dem Posten, aber keiner kann ahnen, wann es zu einer Rauferei kommt.« Ein kleines Trinkgeld hatte noch nie geschadet. Natürlich musste Jimmy, wenn Mitchell erst mal »verschwunden« war, ebenfalls zum Schweigen gebracht werden, aber das war eben der Lauf der Welt. Ein kluger Mann ließ keinen losen Faden zurück.
Ein schwarzer Ford Explorer bog in Todd Lawrences Einfahrt, und ein älterer Mann stieg aus. Er ging zum Haus und stieg die Treppe zur Veranda hoch; die Haustür schwang auf, noch bevor er oben angekommen war. »Und wie war’s gestern Abend?«, fragte Todd, nachdem er seinen Gast in die Küche geführt hat, wo eine Kanne mit frisch aufgebrühtem, starkem Kaffee stand.
»Sie tanzt gut«, erklärte der Ältere unbestimmt. Er hatte dunkelblondes, grau meliertes Haar, braune
Weitere Kostenlose Bücher