Auch Engel Moegens Heiss
können.
Jack wollte sie verführen, mitten in der Kirche, daran hatte sie nicht den geringsten Zweifel. Er tat praktisch nichts - er rieb nur weiter ihren Schenkel -, aber das brauchte er auch nicht. Es reichte vollkommen, dass er neben ihr war. Sie schaffte es ausgezeichnet, sich selbst zu verführen: Sie brauchte nur an gestern Abend zu denken, und schon wurde ihr ganz anders.
Bestimmt machte sie aus einer Mücke einen Elefanten, denn ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, dass kein Kuss auch nur entfernt so mächtig sein konnte, wie sie gestern Abend geglaubt hatte. Es war nur so, dass Jack der Erste war, der sie geküsst hatte, seit … ihr wollte nicht mehr einfallen, seit wann. Seit Jahren. Was ganz allein ihre Schuld gewesen war, weil sie pausenlos zu Hause gehockt hatte, statt auszugehen und etwas an ihrem ungeküssten Zustand zu ändern. Trotzdem waren Jahre vergangen, seit sie geküsst worden war, also hatte sie infolgedessen einfach überreagiert. Für ihn war das Erlebnis wahrscheinlich längst nicht so ergreifend gewesen.
Dann fiel ihr wieder ein, wie sein Herz unter ihrer Hand gehämmert hatte, und die Erektion hätte er höchstens vortäuschen können, indem er sich eine Taschenlampe in die Hose stopfte. Eine große Taschenlampe.
Ach du Schreck. Keine geziemenden Gedanken während einer Predigt.
Endlich, endlich endete die Predigt, und das letzte Kirchenlied war gesungen. Lächelnd, plaudernd, Hände schüttelnd schlenderten die Gottesdienstbesucher herum. Jack blieb am Ende der Kirchenbank stehen und versperrte ihr dadurch den Weg, während jeder in der Kirche, so hatte sie den Eindruck, vorbeikam, um ihn persönlich zu begrüßen. Tante Jo und Evelyn machten kehrt und verließen die Bank am anderen Ende, und Daisy wollte ihnen schon folgen, da fasste Jack, ohne sich umzudrehen, hinter sich und hielt sie am Arm fest. »Warte einen Moment«, sagte er und schüttelte gleich darauf weiter Hände. Die Männer wollten mit ihm über die Polizei reden und führten sich in seiner Nähe wie Möchtegern-Machos auf; die Frauen flirteten wie wild drauflos, sogar die Urgroßmütter. Jack wirkte halt so auf Frauen. Bislang hatte Daisy geglaubt, immun gegen solche Empfindungen zu sein, inzwischen aber am eigenen Leib erfahren, dass Hochmut vor dem Fall kommt.
Als sich die Menge schließlich zerstreut hatte und sie aus der Kirchenbank rutschen konnten, trat Jack beiseite und ließ Daisy, eine Hand auf ihre Taille gelegt, den Vortritt. Bei seiner Berührung geriet ihr Herz aus dem Takt. Er spielte allen anderen mit echter Inbrunst den »Wir-sind-ein-Paar«-Part vor, während er im Grunde nur darauf aus war, sie nackt zu sehen; Paar hin oder her. Mit Heiraten oder Kindern hatte er nichts im Sinn - wenn sie es recht bedachte, war er schon einmal verheiratet gewesen, also hatte er vielleicht auch schon Kinder.
Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Sie beugte sich zur Seite und flüsterte: »Hast du Kinder?«
Er musterte sie konsterniert. »Zum Teufel, nein!« Dann fiel ihm wieder ein, wo er sich befand, und er murmelte: »Nichts wie raus hier.«
Das war leichter gesagt als getan. Reverend Bridges stand nach wie vor an der Tür, wo er mit jedem, der aus der Kirche kam, ein paar Worte wechselte, und es sah so aus, als hätte er mit Jack eine Menge zu bereden. Nichts davon erschien Daisy,
die geduldig darauf wartete, dass sie an die Reihe kam, wirklich wichtig, aber der Reverend war schließlich auch nur ein Mann und wollte gern ein wenig mit dem Polizeichef schwatzen. Sie fragte sich, ob Jack das auf die Nerven ging. Ihr kroch niemand wegen ihres Jobs in den Allerwertesten, und sie war keineswegs traurig darüber. Ob es wohl allen Bullen so ging wie ihm?
Endlich wurde auch ihre Hand geschüttelt, und ein paar Floskeln wurden ausgetauscht; Reverend Bridges sah ihr derart tief in die Augen, dass sie sich zu fragen begann, ob die Predigt möglicherweise doch auf sie gezielt hatte, was, nach all dem Gerede während der vergangenen Woche, durchaus möglich war. Sie durfte nicht vergessen, ihre Mutter danach zu fragen.
Die Hitze war fast unerträglich, vom Asphalt stiegen schon Hitzeschwaden auf. Die Männer, Jack eingeschlossen, schlüpften aus ihren Sakkos und lockerten die Krawatten, sobald sie die Kirche verlassen hatten; die Frauen dagegen steckten in ihren BHs und Strumpfhosen wie in einem Gefängnis, weshalb Daisy froh war, dass ihre Beine nackt waren. Die leichte Brise war zwar heiß, trotzdem
Weitere Kostenlose Bücher