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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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befürchte etwas.«
    »Was denn?«
    »Ich bin in Schwierigkeiten.«
    »Woher weißt du das?«
    Sie sah mich mitleidig an. »Die Zigeunerin hat mir’s bestimmt nicht erzählt.«
    »Nun, ehe wir weitersprechen, möchte ich dich untersuchen.«
    Als sie auf der Couch lag, sagte ich: »Wie viele Monate, glaubst du, bist du schwanger?«
    »Fast vier.«
    »Warum hast du’s nicht früher schon gemerkt?«
    »Ich hab’s gemerkt.«
    »So?«
    »Ich habe Pillen eingenommen.«
    »Das meine ich nicht. Woher hast du sie bekommen?«
    »Von einer Freundin, die in einer Apotheke arbeitet.«
    »Und was erfolgte darauf?«
    »Sie machten mich todelend. Sonst nichts.«
    »Nun, zieh dich wieder an, und dann wollen wir darüber reden. Du wirst also ein Kind bekommen.«
    »Danke für die Information.«
    Ihr ungezogener Ton ärgerte mich. Als sie dasaß, sagte ich: »Hast du es deinen Eltern schon gesagt?«
    »Sie machen wohl Witze? Die wissen gar nicht, was das ist.«
    »Na, schließlich haben sie dich und deine Schwester«, stellte ich fest.
    »Gott allein weiß, wie das geschehen ist. Wenn sie über so etwas sprechen, meint man, es sei etwas Scheußliches.«
    »Warum bist du nicht früher zu mir gekommen?«
    »Ich war ganz verzweifelt. Ich habe diese Pillen eingenommen, wie ich schon sagte. Ich wollte das tun, was meine Freundin tat, aber ich bin eine Zimperliese. Eine schreckliche Zimperliese. Ich kann den Anblick von Blut nicht ertragen. Auch Schmerzen nicht. Sie ist nämlich fast gestorben.«
    »Was hat deine Freundin gemacht?«
    »Sie ist zu diesem Mann in einem Pub in Ealing gegangen. Jemand hatte ihr das geraten. Er war ziemlich alt, aber nicht schlecht, und sie gab ihm zwanzig Pfund. Sie hat gar nichts gemerkt, jedenfalls nicht gleich, aber hinterher war es schrecklich. Ich war nicht dort,, ich konnte nicht, aber ihr Freund hatte es verlangt. Sie hat die ganze Nacht vor Schmerzen geschrien. Er dachte, sie würde sterben. Der Mann gab ihr einige Tabletten. Er tut das mit Filmstars und allen diesen Leuten. Ich konnte nicht...  Hätten Sie mir geholfen, wenn ich hergekommen wäre?«
    »Du weißt doch ganz genau, daß das verboten ist. Wer ist der Vater?«
    »Ein Junge.«
    »Das konnte ich mir denken. Wie alt ist er?«
    »Siebzehn.«
    »Hast du es ihm gesagt?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Er hat eine andere Freundin.«
    »Du hast damals nicht daran gedacht, ihn zu heiraten?«
    Sie sah mich an, als hätte ich ein Schimpfwort benützt.
    »Wer will denn heiraten?«
    »Und was ist dagegen einzuwenden?«
    »Wo bleibt der Spaß nach dem Heiraten? Es kann noch manches passieren. Aber nicht, wenn man verheiratet ist.«
    »Und was wäre das?«
    Sie zuckte die Schultern. »Vielleicht gehe ich nach China, oder ich bekomme einen Lord, oder ich werde Filmstar. Phantastische Sachen. Sehen Sie sich meine Mutter an.«
    »Und was ist mit ihr?«
    »Sie weiß jeden Tag, was los sein wird, jeden Tag. Der Milchmann, der Supermarkt, die Vorhänge waschen, grüne Rabattmarken sammeln, auf Vater warten, bis er heimkommt. Ich würde verrückt dabei.«
    »Margaret, ich glaube, daß die Zeit für dich gekommen ist, um den Tatsachen ins Auge zu sehen.«
    Ich sah, wie ihr Gesicht in Abwehr erstarrte.
    »Ich sage damit nicht, daß du nicht vielleicht noch in China landen oder einen Lord heiraten wirst, aber jetzt im Augenblick, in diesem Augenblick, bist du vier Monate schwanger. Und was willst du nun tun?«
    Ihr Mund wurde schmal.
    »Das erste, was du zu tun hast - und das weißt du sehr wohl, ist, es deinen Eltern zu sagen.«
    »Sie würden es mir gar nicht glauben.«
    »Sie lieben dich. Sie werden alles für dich tun.«
    »Ich will aber nicht, daß man alles für mich tut. Das ist ja eben die Sache. Ich möchte mein eigenes Leben haben. Ich kann selbst für mich sorgen... «
    »Kannst du das wirklich?«
    »Nun, also gut. Etwas ist passiert. Ein Fehler. Aber die und mich lieben! Daß ich nicht lache! Ich bin eitel und faul und mannstoll und verrückt. Wenn ich so wie Anne wäre, beim Abwaschen helfen und abends zu Hause sitzen und nähen und am Samstag einkaufen gehen würde, aber ich bin eben nicht so. Ich will mein Leben genießen.«
    »Du mußt es ihnen sagen.«
    »Eher sterbe ich.«
    »Sei nicht so kindisch. Sie werden es vielleicht besser überstehen, als du denkst. Eltern werden meistens ebenso mißverstanden wie Kinder.«
    »Und was ist mit den Leuten in der Nachbarschaft? Meine Mutter würde sich nicht mehr vor ihnen sehen lassen. Und was wird mit

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