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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Eltern mit ständiger Arbeit und lästigen Pflichten ihre Zeit? Welchen Spaß sollte Lernen und Arbeiten machen, wenn man doch bummeln, twisten, Motorrad fahren und sich in der Gesellschaft eines zottigen Idols aufhalten konnte! Das war das Leben, sagte Margaret. Wen interessierte schon diese verdammte Arbeit, dieses Abplagen, Gutes tun, Predigen? Jeder sollte tun, was er wollte; sein Geld für Kleider und Glimmstengel und Schoko ausgeben und sich ein schönes Leben machen und versuchen, einen Jungen mit Motorrad zu finden, um richtig zu fühlen, wie der Krach und die Kraft der Maschine den ganzen Körper erfüllte, anders als diese Miesmacher, die »geschmacklos« sagen und ihre Nasen rümpfen und meinen: »Du machst zu viel Lärm und denkst niemals an die anderen.« Warum sollte man auch? Sie denken ja auch nicht an dich. Wenn ich mich nicht um mich selbst kümmere, wer wird sich sonst um mich kümmern? Das ist es, was mit der Welt falsch ist, niemand lacht genug und es gibt viel zu viel »Laß das sein« und »Tu das nicht«, und niemand kann dir sagen, warum, vermutlich weil sie niemals eine schöne Zeit erlebt haben. Sie hätten gar nicht gewußt, wie, und nun wollen sie nicht, daß du dich vergnügst, obwohl sie gar keinen Grund haben, sind einfach saure Trauben. Wer hat schon Lust, an jedem Wochenende das Geschirr zu spülen und Großmütterchen zu besuchen, nur weil sie zufällig alt ist und Angst vor dem Fegefeuer hat, und was sollen Mathematik und Englisch? Man braucht es doch nie, man spricht schließlich bereits Englisch und braucht diese Zahlen nie wieder, und die Geschichte ist ein alter Hut, gut für Bücher und die Bibliothek. Wen interessiert das schon, was in der Arche Noah passiert ist? Die Lehrer haben die Arche Noah zwar längst verlassen, tun aber gern so, als wären sie noch drin. Sie sprechen zu dir und sagen, sie verstehen, und die Zeiten haben sich geändert und wollen wissen, was du eigentlich denkst. Sie würden einen Schlaganfall bekommen, einfach in Ohnmacht fallen, erführen sie es, und nicht die Zeit hatte sich geändert, nein, die Menschen waren anders geworden, sie hatten mehr Verstand, sie wußten, daß das Leben kurz ist und süß, und ehe man sich’s versah, war man dreißig und wurde seßhaft, und dann gingen all diese Schwierigkeiten los, vielleicht gab es sogar Krieg, obgleich Krieg lustig klang, und man mußte vielleicht sogar arbeiten. Nein, jetzt hieß es, das Beste daraus zu machen. Und das Beste waren eben Jungens. Wenn man ein Mädchen war. Und je mehr Geld sie hatten, desto besser, man hatte eine schöne Zeit, und Margaret war sechzehn, und die meisten Mädchen aus ihrer Klasse hat- J ten es getan, und für gewöhnlich gab es kein anderes Thema im Waschraum vor den bespritzten Spiegeln, während das Haar mit schmutzigen Kämmen zurückgekämmt wurde, und man erzählte, wo und wer mit wem und wie es gewesen war. Sie sagten, man dürfe das nicht, und es gab manchmal sogar Jugenddiskussionen im Fernsehen, aber sie konnten einem niemals sagen, warum eigentlich nicht. Wahrscheinlich hatten sie selbst noch nie und wünschten, sie hätten Gelegenheit dazu, und so kam es immer wieder zu denselben Redensarten. Und überhaupt, es war wunderbar, natürlich nicht mit irgendwem, aber wenn man einen wirklichen Freund hatte und sich liebte, was sollte daran schon Schlimmes sein? Kinder, na ja, aber die Jungen wußten alle, was sie tun mußten, und diese Krankheit? - sie hatte niemals gehört, daß einer die wirklich bekommen hatte, sie sagten es nur, um einen zu ängstigen. Es war wirklich herrlich, eine wunderbare Zeit. Und dann kamen die Schwierigkeiten, und nicht einmal Margaret Powell konnte sagen, was eigentlich schief gegangen war. Zuerst hatte sie sich nicht wohl gefühlt, sie hatte blaß ausgesehen, blasser und noch weniger gut, sie hatte sich übergeben, und man hatte sie zum Arzt gebracht, nämlich zu mir, und hatte mich gefragt, ob sie ein krampflösendes Mittel benötigte, und ich verordnete ihr eines und sagte, ja, vielleicht, und daß Margaret in einem oder zwei Tagen wiederkommen und mir sagen solle, welche Wirkung es gehabt hat.
    »Nun, Margaret?« sagte ich, als sie mit ihrer Mutter wiederkam. Sie hatte enge schwarze Hosen und schwarze Stiefel an und konnte vor lauter Haar kaum aus den Augen schauen. Tusche lag zentimeterdick auf den Wimpern, und die schmutzigen Nägel waren mit Silberlack bestrichen.
    »Nun, was?«
    »Wie geht’s?«
    Sie sah auf ihre Schuhe.
    »Ich

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