Auch sonntags Sprechstunde
Bestes.«
»In welcher Hinsicht?«
»Meine Zeit zu teilen zwischen meinen Kindern, meinem Heim, meinem Buch und meinem Mann.«
»Glaube ja nicht, daß mir die Reihenfolge auf dieser Liste paßt.«
Plötzlich, zum ersten Mal seit Monaten, dachte ich, daß auch sie Mitleid brauchte. Sie kam zu mir herüber und legte die Arme um meinen Hals.
»Du willst doch nicht, daß ich für den Rest meines Lebens mit dieser scheußlichen Brille herumlaufe?«
»Eigentlich finde ich nichts dabei.«
»Und weißt du auch, warum du nichts dabei findest?«
»Nein.«
»Weil du mich nicht mehr ansiehst.«
Es überkam mich plötzlich. »Steh auf!«
Sie erhob sich und stand dicht vor mir.
»Nein, geh da hinüber.«
Sie stand neben der Tür, ich betrachtete sie und kam mir schuldbewußt vor. Wir hatten vor zwölf Jahren geheiratet. Sylvia, nach der neuesten Mode gekleidet, ich ein hübscher junger Mann. Und hier stand sie nun in der Pose für ein Titelbild eines Vogue-Modeheftes, aber mit Schürze, Topflappen in der Hand, dicker geworden, mit ungepflegtem Haar - denn für den Friseur fand sie keine Zeit - und mit Essensspritzern auf den honiggelben Schuhen. Am Mittelfinger ihrer rechten Hand befanden sich Tintenflecke, und auf ihrem Gesicht fehlte der Puder. Die Brille saß, wie gewöhnlich, auf halber Nasenhöhe und verbesserte den Gesamteindruck keineswegs.
»Gib zu, daß du mich seit Jahren nicht mehr richtig angeschaut hast«, sagte Sylvia anklagend.
»Ich habe wirklich seit Jahren nicht mehr hingeschaut.«
»Ich könnte niemals das Umschlagbild für Bunty abgeben.«
»Du könntest niemals das Umschlagbild für Bunty abgeben.«
»Ich bin ein Wrack. Ein totales Wrack.«
Ich setzte mich. »Es ist meine Schuld. Du hättest mich niemals heiraten dürfen«, sagte ich voller Selbstmitleid.
»Hör auf«, sagte sie scharf, anstatt mir zuzustimmen.
Sie lehnte sich gegen die Tür, die Arme verschränkt.
»Nun hör mir mal zu. Es ist nicht deine Schuld. Ich selbst bin in diese Lage geraten. Es ist das Buch, welches ich, verdammt noch mal, um jeden Preis beenden will, und während ich daran arbeite, muß ich eben etwas anderes sein lassen. Erstens mich selbst, zweitens das Haus, drittens die Kinder, viertens das Kochen, fünftens dich und sechstens die Praxis. Ich bin beinahe fertig mit dem Buch, beinahe. Bis ich es beendet habe, mußt du mich nehmen, wie ich jetzt bin: dick und ungepflegt, ganz zu schweigen von dieser scheußlichen Brille... «
»Liebling, hätte ich gewußt, daß du dir Kontaktlinsen wünschst... «
»Das ist es nicht. Ich bin gewöhnt zu arbeiten... , aber nicht in der Küche, meine ich. Wenn ich Erfolg habe, engagieren wir eine Köchin, wir werden Parties geben, und ich werde die Brille verbrennen... «
»Nun mal langsam«, sagte ich. »Vielleicht wird es gar nicht gedruckt.«
»Das haben sie mir versprochen. He! Wer ist da?«
Jemand stieß gegen die Tür, an der Sylvia lehnte.
»Ich bin’s!«
»Wer?«
»Penny. Wie schreibt man >Nymphomanin«
Sie brauchte fünf konzentrierte Minuten, bis sie, sich dabei auf die Zunge beißend, das Wort korrekt zu Papier gebracht hatte.
»Wie kommt das«, fragte Sylvia, »daß du seit über einer Stunde an deiner Strafarbeit schreibst und dich jetzt erkundigst, wie das Wort geschrieben wird?«
Penny sah sie an, als sei sie etwas einfältig.
»Ich habe fünfhundertmal >ich<, fünfhundertmal >darf<, fünfhundertmal >Miss<, fünfhundertmal >Sneep<, fünfhundertmal >nicht< geschrieben, und nun muß ich noch fünfhundertmal >Nym-phomanin< und fünfhundertmal >nennen< schreiben. Was bedeutet es übrigens?«
Sylvia legte ihre Arme um mich, dicklich, mit Küchenschürze, mit Brille und einem seltsamen Blick. »Es bedeutet«, sagte sie -aber ich legte ihr eine Hand auf den Mund.
»Am besten fragst du Miss Sneep danach«, schlug ich vor.
»Die weiß es bestimmt nicht.«
»Wieso?«
»Sie wußte ja auch nicht, was >Unzucht< ist, als Wendy Craig sie gefragt hat.«
»Was hat sie geantwortet?«
»Sie sagte, es kommt, genau wie das Stehlen, in den Zehn Geboten vor.«
»Also, geh jetzt und schreib deine Strafarbeit zu Ende. Später können wir uns dann unterhalten.«
»Ich kann nicht«, sagte Penny. »Peter hat meinen Kugelschreiber versteckt.«
Als sie endlich gegangen war, rückte ich meinen Schlips zurecht, der unter Sylvias Aufmerksamkeiten verrutscht war, und seufzte.
»Gehst du heute nicht mehr weg?«
»Ich sollte noch einen Blick auf Mrs. Finch werfen, die
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