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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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zusammengepreßten Lippen und überlegte, ob ich ihr vielleicht pro Woche ein Pfund zulegen sollte. Das war genau ins Schwarze getroffen, und von diesem Augenblick an wurde Miss Simms die neue Herrscherin. Sie herrschte auf eine so tüchtige, umsichtige Weise, daß ich und offenbar auch die Patienten sich gerne ihrer Herrschaft fügten. Miss Nisbets Ruhm verblaßte immer mehr, wenn man einen solchen Ausdruck überhaupt auf eine so große starke und gesunde Person anwenden kann.
    In dem Inserat nach einem Arztpartner hatte ich, um neuen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, einen verheirateten Mann gesucht. Dr. Fouracre war verheiratet und hatte zwei Kinder.
    »Übrigens«, fragte er mich am ersten Morgen, »warum sind Sie eigentlich gegen Junggesellen?«
    Ich erklärte ihm meine Gründe, und er sah mich zweifelnd an.
    »Nichts gegen einen verheirateten Mann«, sagte er, »aber Sie müssen sich bewußt sein, daß ein Mann, wenn er verliebt ist, immer bereit ist, Beruf und Familie aufzugeben.«
    »Sie scheinen ja ein Experte auf diesem Gebiet zu sein!«
    »Ich spreche gar nicht von mir. Ich will damit nur sagen, daß, ob verheiratet oder unverheiratet, Mann eben Mann ist... «
    »Ich verstehe, was Sie damit sagen wollen.«
    »Es tut mir leid um Dr. Letchworth. Es muß für Sie ein schwerer Schlag gewesen sein.«
    »Das war es.« Ich streckte ihm die Hand hin und nannte meinen Vornamen. »Miles«, sagte er zu mir und schüttelte mir die Hand.
    Sylvia kam mit einem Tablett herein. »Wir wollen feiern, daß wir hoffentlich viele Jahre zusammen sein werden. Allerdings nur mit Kaffee und... « - ich warf einen Blick auf das Tablett - »Bour-bon-Biskuits.«
    »Ich gebe meine Seele für ein Bourbon-Biskuit«, sagte er, nahm eines und hob seine Kaffeetasse. »Cheers!«
    » Cheers!« erwiderte ich und versuchte, nicht mehr an Robin zu denken.
    Miles Fouracre war ein merkwürdiger Mensch. Ganz anders als Robin, besaß er keine Begabung zur Psychiatrie. Er war außerordentlich dagegen und betrachtete es außerdem als einen Fehler, Patienten ins Krankenhaus zu schicken. Soeben erst von einem Dreijahresaufenthalt aus einem unterentwickelten Land zurückgekehrt, war er es gewöhnt, alles, vom Blinddarm angefangen, selbst zu erledigen.
    »Wir mußten draußen alles machen, mein Lieber«, sagte er. »Ich war im Umkreis von Hunderten von Meilen der einzige Arzt. Bis ich die Leute ins nächste Hospital gebracht hätte, wären sie alle tot gewesen.«
    Ich machte ihm klar, daß wir in London waren und daß das nächste Krankenhaus nur zehn Minuten entfernt war.
    »Der Gesundheitsdienst hat euch alle zu Sortiermaschinen gemacht«, sagte er. »Hier die Nasen, dort die Ohren, und da die Bäuche... «
    »Gut«, sagte ich, froh darüber, daß Dr. Fouracre eine Probezeit von drei Monaten bei mir hatte, »bleiben Sie ein Einmannbetrieb, und ich werde weitermachen wie bisher.«
    Er war tatsächlich ein Einmannbetrieb. Hingebungsvoll schnitt er Furunkel auf, entfernte Zysten und ähnliches. Ich hatte niemals vorher einen Arzt gekannt, der so viel Freude an der Arbeit hatte. Glücklicherweise liebten ihn auch die Patienten, die vorher Robin sehr ergeben gewesen waren. Er hatte ein eigenartiges Aussehen, war groß, schwarzgebrannt von der Tropensonne und trug im Zimmer wie im Freien bei jedem Wetter einen Panamahut. Seine Freundlichkeit war bestrickend, und ich fühlte sogar einen Anflug von Eifersucht, da Miss Simms ihm bei jeder Kontroverse beistand und ihn aus bewundernden Augen anblickte.
    Inzwischen hatten die Bäume völlig die Blätter abgeworfen und standen als Silhouetten gegen den grauen Himmel. Wir hatten zur täglichen Routinearbeit zurückgefunden. Ich verbannte alle Gedanken an Robin und wurde nur wieder an ihn erinnert, als eine Postkarte aus Acapulco eintraf: »Es ist hier so herrlich und so leer. Lucy Gunner.«
    Ich gab sie Peter für seine Briefmarkensammlung, aber die Worte blieben mir in Erinnerung.
    Der Tag, der alles Dramatische des an Ereignissen überreichen Jahres übertrumpfen sollte, war ein Donnerstag. Ich werde ihn nie vergessen. Wir hatten die Morgenvisite erledigt, die nicht allzu zahlreich gewesen waren, und Miles war zurückgekommen, um mit mir zu besprechen, was für den Nachmittag, den ich frei haben würde, noch vorlag.
    Er saß in seinem Zimmer, ich in dem meinen. Draußen auf der Straße war es still, wie üblicherweise um die Mittagszeit, und man hörte nur ab und zu die Schritte der Hausfrauen, die mit ihren

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