Auch unter Kuehen gibt es Zicken
noch nicht.
»De konnst ja nirgends hidoa.«
Ich find schon was.
»Geh! Naa. De gib i da ned. Da tuast da doch koan G’falln, glaab ma’s.«
Doch, tu ich schon.
Aber ich weiß nicht, wie ich dem G-Bau’r das erklären könnte. Was für ihn vernünftig ist, ist für mich grausam. Was für mich normal und natürlich ist, ist für ihn komplett g’spinnert.
Der Junior lacht die ganze Zeit. Es schüttelt ihn dabei, und es klingt, als hätte er einen Bissen Streichwurst im Hals. Er lacht, als wäre ich seine eigene private lustige Revueeinlage. Ich sehe, wie seine linke Hand mir die leere Bierflasche hinhält und die rechte sich selbstverständlich hebt, um mir die Hüfte zu tätscheln.
»Bringst ma no oane.«
Ich nehme ihm die Bierflasche aus der Hand und stelle sie mit einem Knall vor ihn hin. »Lass du deine Pratzen bei dir.«
Das Streichwurstlachen verstummt schlagartig. Der G-Bau’r fixiert mich aus Augenschlitzen.
Ahh! Warum kann ich nicht still sein. Mit dem Junior hat doch das alles nichts zu tun.
Meine Lippen zittern, und ein ganzer Stausee aus Tränen rauscht unaufhaltsam aus meinem Herz und wird bald meine Augen überschwemmt haben. Und dann war’s das. Der G-Bau’r macht keine Geschäfte mit einem hysterischen Weibsbild. Und das bin ich, so wie ich da stehe. Nichts weiter als ein hysterisches Weibsbild.
Da geht das Küchenfenster auf.
»Dawei geht de Koim bei mir mit auf d’ Woad. Und dann werd d’ Oimarin scho wos finden.« Der Hias. Aufgetaucht aus dem Nichts.
Der G-Bau’r linst ihn an, als hätte er jetzt auch noch den Verstand verloren.
Wie kommt der Hias auf einmal dazu, meine Koim zu beherbergen.
Ich weiß das auch nicht. Ich weiß nur, wie froh ich bin, als der G-Bau’r kopfschüttelnd die 800 Euro nimmt, zweimal faltet und in die Brusttasche seiner Holzfällerlatzhose schiebt.
»Danke«, sag ich leise. Das war knapp.
Aber der Hias ist schon weg. Das Küchenfenster zu.
Hampi
Am Abend sind alle Viecher geholt. Die Alm ist leer, bis auf die Kühe, die acht Koima vom Hias und vom Hampi – und die Nelly. Elf. Sie grasen hinter der Hütte.
Ich schneide einen Apfel in Viertel und bring ihn der Nelly. Gierig sperrt sie ihr Maul auf und mampft und sabbert mich voll, von oben bis unten. »Da hama was angestellt, hm?«
» MMMH «, grunzt sie. Weil sie nicht einsieht, warum ich nicht mehr Äpfel dabeihabe.
»Du bist kein Haustier«, sage ich.
» MMMh. «
»Gute Nacht.«
Ich setze mich vor den Kachelofen in der Stube und binde ein Stirnkranzerl für die Nelly. Mit weiß-roten Nelken.
A-Day, Tag 2
Schlafen kann ich nicht in dieser Nacht. Um fünf steh ich auf. Es ist grau, zwischen Tag und Nacht. Ich hol alle elf Damen in den Stall und melke meine Kühe. Keine Zwischenfälle. Die Nacht hängt noch um meinen Kopf. Der Pulsator am Melkeimer macht tsch-g, tsch-g. Und ich bete um einen Vorhang, hinter dem ich diesen Tag verbringen kann. Und um eine Schachtel, in die ich meine Gedanken schütten und bis heute Abend an der Garderobe abgeben kann.
Ich stell die Milchkanne in den Brunnen. Kein Zentrifugenzauber mehr heute. Dann heize ich ein und koche Kaffee. Zwei Kannen, denn wir werden viele heute. Der Hias mit kompletter Familie, der Hampi, seine Mutter, sein Bruder, noch ein paar Nachbarn, ich, eine noch unbekannte Anzahl Gäste.
Ich nehm den Schneebesen und schäume Milch in dem alten Emailtopf. Den hab ich lieb gewonnen. Sogar der wird mir fehlen. Dann setze ich mich unter meinen Rosenbusch, auch zum letzten Mal heute, mit meiner Rosentasse Milchkaffee.
Keine Glocken läuten auf der steilen Wiese. Nichts ist wie immer heute. Der Herr Fink flattert in die Hütte. Seelenruhig pickt er die Kuchenbrösel vom Boden. Die mag er. Deswegen kehrt die niemand weg. »Bleibst du heroben über den Winter, Herr Fink?«, frage ich ihn. Ich würde gerne auf eine Antwort warten. Aber so weit komme ich nicht.
Sie kommen.
Die Erste ist Hampis Mutter. In ihrem quietschblauen Kleinwagen. Goggomobil, sagt mein Opa zu so was. Sie fährt flott. Und sie hört Volksmusik in voller Lautstärke. Ihr erster Blick fällt auf die Latschenbuschen, die Tafel und das Kreuz. Hab ich in weiser Voraussicht an die Hauswand gelehnt. Sie nickt. Gut.
Ich atme auf. Das war die erste Hürde.
Sie sieht perfekt aus. Schlichtes, aber feines Dirndl, Haar im Kranz geflochten, dezente Halskette, leichte Bergschuhe. Sie hat Zeug dabei, als wollte sie eine Kompanie Wikinger füttern. Schuggsn und Brezen, einen ganzen Korb
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