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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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einen Bogen um mich. Heute fragt mich keiner: »Sind Sie hier die Sennerin?« Keiner sagt, »Ach, schau mal, wie schön, ich würde auch so gern mal richtig auf die Alm gehen.« Heute schweigen sie. YippeeYa-Yeah.
    Noch 10 Tage
Es wird leise auf der Alm. Wir sind allein aufm Berg. Die Wiese wird ihr Grün verlieren. Jeden Tag ein Stück. Der Sommer verweht. Aus zehn Tagen werden fünf. Vier. Dann übermorgen, morgen, heute.
    Es wird ein Hetzlauf durch die unsichtbaren Monster. In der Futterkiste hockt eins. Und im Butterfass. Den Stallbesen schwingt ein Monster. Und wenn ich die Stalltür aufmache, um Nelly und die zwei Ladys reinzulassen, packt mich eins von hinten. Das Grausamste von allen.
    »Dora, was soll ich nur machen!?«, schluchze ich. Halb lehne ich, halb hänge ich über ihrem Rücken.
    Nichts , sagt sie. Melken. Sonst nichts.
    Nichts! Sonst weiß sie doch auch immer, was zu tun ist. Warum jetzt nicht?
    Es ist nicht Zeit. Es ist noch jetzt. Die Zukunft existiert nicht. Die Zukunft denkt ihr euch aus.
    »Dora, das ist keine Antwort.«
    Aber mehr Antwort krieg ich nicht. Also melke ich. Und sonst nichts.
    »MMMhh«, macht Nelly.
    Ich klopfe den weißen Streifen auf ihrem Hintern und muss lächeln. Grinse ein paar Tränen weg. Dann räum ich mein Melkzeug auf. Ich muss raus aus dem Stall. Weg von den Monstern.
    Aber auch in der Spülwanne im Millikammerl schwimmen sie. Und in den grünen Algenritzen zwischen den Fliesen tummeln sie sich. Ich wünsche mir einen Dampfstrahler. Ich würde gerne voll aufdrehen und die Monster mit Hochdruck in den Gulli spülen.
    Ich wünsche mir ...
    Wünsch dir ein mutiges Herz! Singen die Algenmonster. Wünsch dir ein mutiges Herz.
    A-Day
Halb neun. Pfeifend führt der Fallerer Flori seine nach dem AC/DC-Konzert noch auf der Alm verbliebenen Koima auf sein hölzernes Transport-Cabrio. Und dann hat er sogar Zeit, ein Radler zu trinken, neben mir, unterm Rosenbusch. Seine türkisblauen Augen blitzen mich lustig an. »Und, kimmst nächst’s Jahr wieder?«
    »Weiß ich nicht. Da haben wir noch gar nicht drüber geredet«, murmle ich.
    Der Flori grinst und verrenkt seinen Hals, um in die Hütte schreien zu können, ohne aufzustehen: »Hey, Hias! Muasst ihra sog’n, dass’ wieder kemma soll.«
    »Des muass scho sey’m wiss’n.«
    »Aber frog’n muasst’ as! Sonst moant’s, du mogstas nimmer herob’n ho’m.«
    »Kümmer di du um dein eing’a Schmarrn.«
    Da lacht er lauthals, der Flori, und hält sein Radler in die Sonne.
    »Prost!«
    »Prost«, sage ich. Leise.
    »Und? Host’ es g’hört, dass’d nächst’s Jahr wieder kemma sollst?«
    »Naa ...«
    »I scho.« Der Flori zwinkert. »Unbedingt sogar.«
    Dann trinkt er sein Radler aus und legt lautlos fünf Euro auf den Tisch.
    »Schiab bloß dein Fünfer wieder ei!«, donnert’s aus der Hütte.
    »Pfiadi«, lacht der Flori, küsst mich auf die Wange und schwingt sich auf seinen Tracke. Zum Abschied zieht er an der Krempe seines Cowboyhuts. Dann tuckert er los. Seine drei Mädel lassen die Ohrwaschl im milden Fahrtwind flattern.
    Pfiadi, Flori.
    Vielleicht bis nächstes Jahr?
    Ich räum Floris Bierflaschl weg.
    Es ist Zeit, die gelben Anmeldezettel zu holen. Der G-Bau’r und seine Mannen sind im Anflug. Die Panik kriecht meinen Nacken hinauf, noch bevor ich ihre MB-Tracs und den Lastwagen hören kann.
    Sie parken in einem Fächer. Keiner wird rangieren müssen, wenn sie wegfahren. Die Reihenfolge bleibt exakt eingehalten, auch wenn die Maschinen stehen. Der G-Bau’r selber steigt als Erster von seinem Ungetüm.
    Er hat Gummistiefel an. Seine Wampe spannt den grüngrauen Stallkittel hart und prall. Er trägt sie vor sich her wie einen Rammbock. Wenn er sich so hingestellt hätte, nach Osten ausgerichtet, 375 nach Christi Geburt, er hätte die Hunnen im Alleingang aufgehalten.
    Stattdessen hatscht er hier über meine Alm. Mit seiner ganzen Masse.
    Caramba, denke ich, und jogge los. Der G-Bau’r und seine Männer walzen sich zum Sonnbichl hinauf. Einer sieht aus wie er. G-Bau’r junior. Unvorbereitet trifft mich ein Blick aus seinen fleischigen Augen.
    »Schau gefälligst woanders hin«, denke ich. Und die Faust, mit der ich meinen Almstecken halte, ballt sich mit einer Wut, die ich mir nicht genau erklären kann. Ich kenn den armen Kerl ja nicht einmal. Weiter jetzt, befehle ich mir selber, G-Bau’r-Viecher einsammeln. Ich würge mir also ein Lächeln für den Junior raus und laufe rauf zur Kohlstatt. Da sind sie. 17.

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