Auch unter Kuehen gibt es Zicken
bisschen auf. Bis nach dem Essen. Denn natürlich gibt’s Essen.
Die Theres’ hat einen Schweinsbraten im Ofen. Die Knödel schwimmen schon im Wasser. Wann sie die noch gemacht hat, ist mir ein Rätsel.
Die Männer stehen draußen. Trinken ihre verdiente Halbe Bier und rauchen Zigarillos.
Ich geh lieber Frauensachen machen. Rein zur Theres’, Tisch decken.
Die Geschwindigkeit, in der sie das macht, ist mir sehr angenehm. Ich hab nämlich die gleiche. Ich lächle, weil ichmerke, wie meine Gedanken langsam wieder aus der Garderobenschachtel rauskommen. Ich denke über die Grundgeschwindigkeit des Lebens nach, und ob die Geschwindigkeit Einfluss darauf hat, wie schnell die Zeit vergeht. Und ob’s an meiner Geschwindigkeit liegen könnte, dass ich mir einbilde, an einem einzigen Tag könnte das Lebenspensum von einem ganzen Jahr durch mich durchrasen. Verrückt.
Da fühle ich zwei fest zupackende Hände an meinen Armen.
Theres’.
Sie schaut mich gründlich, ernst und zielgerichtet an.
»Karin!«, sagt sie. »Du muasst den Hampi packa! «
Ich erwidere ihren Blick.
Ihre Hände nehmen meine Hände.
Wir bleiben zehn Sekunden so stehen. Zehn Sekunden, in denen ich verstehe, dass sie mir ihren Sohn anvertrauen würde. Dass sie mich in ihr Haus lassen und irgendwann meine Kinder hüten würde. Dass ich irgendwann, wenn meine Haare schon grau sind und ihre schneeweiß, ihre Hand halten würde. Wenn’s ans Sterben geht. Und dann wäre ich an ihrer Stelle und müsste sehen, dass der Hof in die richtigen Hände kommt.
Aber der Hampi wird nichts dergleichen dazutun. Den müsste ich packen. Dann wird er schon auch wollen. Vielleicht will er ja eh und sagt nur nichts. Vielleicht macht er auch einfach, was man ihm aufträgt. Vielleicht ist er selber nicht so wählerisch. Wer weiß das schon, beim Hampi, er redt ja nichts.
Theres’, ich danke dir. Sagt mein Herz ohne ein Wort. Meine Hände drücken ihre sacht. Und mein Blick senkt sich.
Sie versteht.
Schade.
Sie streichelt meine Schulter, ein einziges Mal, und dann dreht sie sich zum Tisch und legt Messer und Gabeln neben die Teller. Gleichzeitig geht die Tür auf und die Männer fluten die Stube. Theres’ drückt mir eine Schüssel voller heißerKnödel in die Hand. Sie selber nimmt die Reine mit dem Schweinsbraten. In der Stube rücken Stühle über den Holzboden, und verschwitzte Rücken wetzen an der Eckbank entlang. Wortfetzen schweben mit dem Dampf der Knödel aus dem Fenster.
Bis jeder sitzt, ein frisches Bier vor sich stehen hat und den ersten Bissen Schweinsbraten zerkaut, haben Theres’ und ich ein halbes Leben überquert. Das ahnen sie nicht, die Männer. Müssen sie auch nicht. Das ist Frauensache.
Nach dem Essen geh ich unsichtbar hinaus auf die Wiese. Nelly hat einen Zwetschgenbaum entdeckt und darunter fettes Gras, garniert mit runtergefallenen Zwetschgen.
»Wir hätten hierbleiben können«, erkläre ich ihr.
Mampf, mampf.
»Aber ich habe das Rundum-Sorglos-Paket abgelehnt.«
Mampf.
»Sorry, Nelly.«
Mampf, grmps mampfmampfmampf.
Meine Eltern fahren nach Hause, selig, und versorgt mit drei Kilo Butter und fünf Kilo Quark. Ich winke ihnen nach, länger als ich sie sehen kann.
Dann nehme ich die Nelly am Strick und lauf mit ihr rüber zum Hof vom Hias. Da kann sie bleiben. Derweil. Wie lange »Derweil« dauert, weiß keiner. Ich schon gleich gar nicht. Ich bin froh um dieses Derweil.
Ich habe einen Haufen aufzuräumen in meinem Leben.
Ich küsse Nelly auf ihre kababraune Schnauze.
Dann geh ich ein letztes Mal hinauf auf die Alm.
Es wird schon dunkel.
Ein neuer Hirsch brüllt über den Almboden. Wie ein Löwe. Eine unsichtbare Gänsehaut huscht über meine Arme.
King Kong lächelt einen Gruß vom Mondhimmel runter.
Leb, höre ich ihn sagen. Egal, wo. Egal, mit wem. Aber leb!
Ich bin zu müde, um unterm Rosenbusch sitzen zu bleiben. Ich falle ins Bett, ohne Zähneputzen und ohne den Dreck von mir abzuwaschen.
Am nächsten Tag putz ich meine Kammer, das Millikammerl und den Stall.
Das war’s.
Mein Graffe passt immer noch in einen VW-Passat. Aber mein Leben nicht mehr.
Ich wohne nirgends. Ein paar Sachen hab ich noch bei meinem Exfreund. Und eine Frage, auf die ich noch eine Antwort brauche.
Teil 2
Ein paar Jahre und dazwischen
I wohn wo
Eine schwarze Hundeschnauze bohrt sich in mein Gesicht. Eine zottlige Tatze patscht auf meine Bettdecke.
Billy macht Sitz auf dem Wollteppich vor meinem Bett. Daneben die kleine Nika.
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