Auch unter Kuehen gibt es Zicken
das alles mit ihr bewirtschaftet. Einen Mann mit einem strahlenden Lächeln. Ich glaube, Mali lebt im Paradies. Und auf dem Weg dorthin ist sie nicht ein Mal gestolpert.
Ich frage also meinen Vater, ganz leise aus meiner Donnerwolke heraus: »Papa, kann ich den Hänger haben?«
»Ja, freili. Rufst halt die Mali an und holst’n.«
Gut. Ich rufe die Mali an und steige eine Minute später in meinen VW-Bus.
Der Bus. Ich merke, wie mir ganz leicht übel wird. Er ist rot. Baujahr ’91. Ein Syncro. Das bedeutet Allrad. Mit Untersetzung und Differenzialsperre. Anhängerkupplung, Standheizung, Neonröhre für den Innenraum, Kühlbox und daher auch separate Versorgungsbatterie unterm Fahrersitz. Ausklappbares Bett. Ich liebe ihn. Trotz allem.
Denn anstatt mit mir an den Atlantik zu fahren, hat er einen halben Quadratmeter Ölfleck aufs Pflaster gemacht und seinen Urlaub lieber in der Werkstatt verbracht. Eine – von mir als lebenswichtig eingestufte – Fahrt ans Nordkap hat er unwiederbringlich beendet. In Ingolstadt-Nord, Getriebeschaden. Schon beim Gedanken, über den Felbertauern zu fahren, fängt er an zu kochen.
Der Bus.
Ich rufe meinen Mechaniker an. Tom. Nervenstark, katastrophenerprobt. Tom hat einen Unimog voller Winterklamotten nach Afghanistan geliefert. Im Alleingang. »Glaubst du, dass ich mit dem Bus meine Kuh von der Alm holen kann?«
»Dafür wär er ja eigentlich g’macht.« Ich höre, wie er die Hebebühne runterfahren lässt. »Ruafst hoit o, wenn was is.«
Das kann ich jetzt deuten, wie ich will. Ich lege auf – und ruf bei der Autovermietung an.
Aber die haben keine bergtauglichen Allradfahrzeuge mit Anhängerkupplung. Ist am Markt nicht gefragt.
Also streichle ich das Lenkrad, dreh den Zündschlüssel zum zweimal Vorglühen und sage: »Schatz.« Atme aus. Sage: »Hänger holen.« Starte den Motor. »Alm und zurück.«
Wir ziehen eine Staubwolke um den Pferdehof.
Der Hänger parkt als Letzter in der Reihe. Ganz außen. Das Gras ist dort höher als um die anderen Hänger herum. Kniehoch.
Vermoderte Seitenwand. Eingerostete Seitenstützen. Platte Reifen, der Gummi schon nicht mehr schwarz, sondern weißlich grau. Man sieht ihnen all die vergessenen Jahre an. Spröde sind sie. Brösel. Wenn man sie heute noch fragen könnte, sie wüssten überhaupt nicht mehr, wie es war, ein geschmeidiger Gummireifen zu sein.
Ich kann’s nicht glauben. Das gibt’s doch nicht. Vielleicht sitze ich einer optischen Täuschung auf? Vielleicht sieht der Hänger von außen viel schlimmer aus, als er in Wahrheit von innen ist. Und vielleicht ist die Nelly in Wahrheit viel gesünder und stärker, als Hias meint. Und vielleicht hab ich nichts versäumt im Leben ...
Ich gehe noch einmal um den Hänger herum. Es ist entsetzlich. Und trotzdem mach ich die Fronteinstiegstür auf. Das Holz biegt sich im Rahmen. Nass und fast ohne Widerstand. Die Tür geht auf. Aber nicht ganz. Etwas Schweres, Eckiges rutscht mir entgegen. Und stanzt ein Loch ins Holz.
Der Hänger riecht nach Komposthaufen. Und nach Verpackungsfolie.
Im Hänger, an der modernden Zwischenwand, lehnt eine nagelneue Gartenmöbelgarnitur. Noch verschweißt. Ich lehne meinen Kopf gegen die Seitenwand. Schlierig.
Eilige, zierliche Schritte laufen über den Kies. Mali trägt Bikerboots und sieht grazil darin aus. »Mei, des tut mir jetzt leid!«
»Hallo, Mali.«
Und schon fragt Mali, fast ungläubig: »Wollt’st du den Hänger holen?« Sie schaut sich nervös um, zu ihrem Haus.
»Na ja, eigentlich schon ...«
»Magst da a Pferd drin fahren?«
»Naa. A Kuh.«
»A Kuh.«
»Ja.«
Sie späht noch einmal zur Terrasse hinauf und schleicht, als dürfte sie niemand dabei sehen, auf meine Seite des Hängers.
»Woasst’«, flüstert sie, »i hob mir gedacht, den Hänger holt keiner mehr.«
»Ja ... war lang keiner da.«
Sie streckt den Kopf ganz nah zu meinem Ohr und raunt: »I hob mir beim Dehner neue Gartenstühle ’kauft. Ich find die so schön! Aber ich hab’s dem Hubert noch nicht g’sagt ...«
Ich schau sie an wie ein Auto. Ich merke, wie ich denke: Die Mali hat das perfekte Leben. Ein Landrover Defender kurvt in den Hof, gefahren von ihrem Traummann. Sie winkt ihm, strahlend. Nur die Gartenmöbel versteckt sie vor ihm. In einem vergammelten Pferdehänger.
Ich mach die Fronteinstiegstür wieder zu. Gehe noch einmal im Kreis um den Hänger. Nervös beobachtet von Mali. »Der Boden is ja aa kaputt, woasst’.«
Das hab ich mittlerweile auch
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