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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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sind. Indem wir so denken, wie wir denken. Indem wir so fühlen, wie wir fühlen.
    Sie sehen das Leben anders als wir. Sie sehen’s von innen. Das ist ihre Weisheit. Was ich bin, was ich fühle, was ich träume – wird meine Wirklichkeit. Es ist simpel. Ich versteh’s, mein Herz versteht’s voll und ganz. Aber das im Alltag durchhalten? Ich bin’s doch so gewohnt, die Dinge schwer zu sehen. Und mich zu fühlen, als ob das Leben lauter Betonbrocken auf mich draufschmeißt. Bin ich die Betonbrocken?
    »Wie mach ich das – anders träumen?«, frage ich Don Francisco. »Wie werd ich federleicht und fröhlich und hell? Und wie kann ich’s mit mir selber aushalten? Und wie werd ich die Angst los? Und wo bin ich daheim?«
    Ich weiß nicht, ob er mich verstanden hat. Mein Spanisch ist frisch aus dem Volkshochschulkurs für Anfänger. Ich weiß auch nicht, ob er mir wirklich geantwortet hat. Er hat nur zum Himmel gezeigt. Ein Kondor hat seine Kreise über uns gezogen. Lautlos. Kein einziger Flügelschlag. Wir haben ihmnachgeschaut, bis er hinter einem Felsengipfel verschwunden ist. Ich habe gelächelt. Man kann nicht einem Kondor zuschauen und sich gleichzeitig Sorgen machen. Und dann hat Don Francisco auf sein Herz geklopft. »Munay, panai«, hat er gesagt. »Sumac, sumac munay, panai.«
    Viel, viel Liebe, meine Schwester.
    Dann ist er gegangen, um Kuhfladen fürs Feuer zu sammeln.

So groß wie die Welt
    Es ist Mai, und die Tage sehen schon aus wie Hochsommer. Ich reiße Schubkarrenweise Dornen und Brennnessel aus meinem Garten. Schmetterlinge flattern dabei über mich drüber. Ich lass ihnen ein Eck Brennnesseln stehen und überlege, ob ich vielleicht da drüben eine Blumenwiese ansäen könnte. Da, an meinem kleinen Abhang, zwischen dem Baumstumpf und dem Gartenzaun …
    Am Mittwochnachmittag ruft sie an.
    »Karin, ich muss dir was sagen.«
    Annika.
    »Kannst du meine Alm machen dieses Jahr?«
    »Nein.«
    »Die Klarau. Wunderschön. Magisch.«
    Ich muss Geld verdienen und mir einen neuen Bus kaufen. Meinen alten hat’s zerrissen. Motorschaden. Der Mahoney, ein Mechaniker-Spezl von Tom, hat ihn gleich behalten, so wie er war. Er wird ihn ein bisschen umbauen, einen neuen schweren Dieselmotor rein, und Kult-Rallyes fahren damit.
    Den Tom hab ich übrigens umgetauft, in »Yukon«. Er spricht von nichts anderem mehr als von Alaska. Es muss ein großes Geheimnis dort zu finden sein, in den weißen Bergen und kalten Prärien.
    »Überleg’s dir.« Annika lässt nicht locker.
    »Nein.«
    Außerdem macht die Alm mein Leben im Tal nicht einfacher. Ich verlier mein Herz an Tiere. Ich habe schon zwei Hunde und eine Kuh. Ich kann nicht garantieren, dass ich nicht im Herbst mit einem Schwein ins Tal komme. Nein. Mein Leben ist kompliziert genug. Ich muss anfangen, Fuß zu fassen. Und auf keinen Fall schon wieder umziehen, auch nicht, wenn’s nur auf die Alm ist.
    Aber das zählt alles nicht für Annika. »Hey, warum denn nicht! Du gehörst auf die Alm. Du wirst es lieben«, sagt sie. Punkt.
    »Nein.«
    »Es ist auch nur ein halber Sommer. Juli – August. Juni und September macht die Gitti. Und die Alm ist wunderschön!«
    Es ist eine Hochalm auf gut 1400 Metern. Ich seh sie von dem Baumstumpf in meinem Garten aus. Versteckt zwischen Aiplspitz und Rotwand. Abseits der bekannten Wanderwege. Keine Touristen also, und gleich vor der Haustür.
    »Warum gehst’n du nicht selber?«, frage ich.
    »Ich geh auf Weltreise, mein Schatz.«
    Sie geht auf Weltreise.
    Das hat sie schon oft gesagt. Dass sie wegmuss. Dass sie reisen will. Andere Menschen sehen. Eine Wüste durchqueren und einen Ozean durchsegeln. Ein Jahr auf einer einsamen Insel bleiben und nur für die Liebe leben. Ein Kind machen in einem Flugzeug. Und einen Eisbären in freier Wildbahn sehen, bevor sie aussterben.
    »Übernächste Woche schon«, sagt sie. Und isst eine Essiggurke dabei.
    »Wohin?«
    »Na, in die ganze Welt!«
    »Ja, aber wohin zuerst?«
    »Marokko. Dann runter bis Madagaskar.« Noch eine Essiggurke.
    »Bist du schwanger?«
    »Neeein. Der Severin hat gekündigt. Wir fahren zu zweit. Hey, das ist so der Hammer!« In meinem Garten schweben Gräserpollen wie Ufos durch die Luft. Ich muss niesen. Das Windspiel, das ich gerade extrem mühsam aufgehängt habe, klimpert und fällt runter. »Shit.«
    »Was war’n das?«
    »Hast du gewusst, dass ein Mensch mit 160 Kilometer in der Stunde niesen kann?«
    »Nein.«
    »Ha.«
    Schweigen in der Leitung. Ich höre,

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