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Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Auch unter Kuehen gibt es Zicken

Titel: Auch unter Kuehen gibt es Zicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Michalke
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Hias macht mir das Gatter auf. Er hebt den Zeigefinger zum Gruß, als wäre keine Zeit vergangen.
    »Haaa’we.«
    Ich wollte eigentlich auch nur den Zeigefinger heben, aber ich sehe mich euphorisch mit beiden Händen winken, und anstatt gelassen den Hänger gleich vor dem Stall zu parken, einfach auszusteigen und ohne Tohuwabohu zu fragen: »Und, lad ma’s glei auf?«, flattere ich noch bei laufendem Motor aus dem Bus, und muss an mich halten, damit ich dem Hias nicht im Überschwang um den Hals falle. Hallo! Hallo Alm! Hallo Gana-Stoa. Jemand hat den Rosenstock gestutzt. Steht ihm gut. Und zwei oder drei Fichten vor der Hütte sind weg. Es ist heller jetzt. Keine Puten dieses Jahr? Ach nein, ein Facke. Das Wetter ist grau, diesig, der grimmige Ostwind geht. Ein Tag, an dem niemand rausgehen will, ein Tag, der sich griesgrämig an jedes Hauseck hockt und einen nasskalt anspuckt. Die wahre Alm halt.
    Ich erschrecke ein bisschen, als ich merke, wie glücklich ich bin. Einfach so. Weil ich auf der Alm bin.
    »Und? Wo is der Patient?«, frage ich Hias.
    » MMMMMhhh .«
    Im Stall ist sie.
    »So, Nelly«, seufzt er.
    Sie schaut uns entgegen. Kopf ums Eck gebogen.
    »Mmmmm.«
    »Hallo, Nelly.«
    Mager ist sie geworden. Knochig um die Hüften.
    »Sie ko’ ja nimmer mit mit die andern. Ned schee, gell, Nelly, ned schee.«
    Hias krault ihren Haarwuschel am Kopf. Sein Blick sucht irgendwo weit weg, vielleicht nicht einmal jetzt und hier auf der Erde, nach einer Lösung. Und findet keine. »Naa, sei tuat’s wos.«
    Ja, sei tuat’s wos.
    Ich gehe ein paarmal um die Nelly rum. Streiche an ihren Beinen entlang, drücke gegen die Hüftgelenke, hebe einen Huf nach hinten weg, versuche, Entzündungen mit meinen Händen zu fühlen, suche Energieblockaden. Alles flüchtig gelernt in der Tierheilpraktikerschule, die ich nie abgeschlossen habe. Ihre rechte Seite fühlt sich an wie Glas. Eine Scherbe. Ein Knochensplitter, vielleicht was angebrochen bei einem Sturz?
    Viel zum Runterfallen gibt’s ja nicht auf der Ganai-Alm. Aber ein bisschen runterfallen reicht ja schon.
    »Wo tuast’as na’ hi?«, fragt Hias
    »Zur Tante, derweil.«
    »Aaah, die Tante.« An die kann er sich erinnern.
    »Und wenn sie wieder g’sund wird, suchma uns einen Platz auf einer flachen Weide.«
    »Ah, ja. Deees is guad. Flache Weide. Gell, Nelly. Weeeide is guad. Schee gras’n ...«
    Wir stehen noch einen Moment so da. Jeder auf einer Seite von der Nelly.
    Und dann is Zeit.
    »Na pack ma o.«
    Ich fange an, den Hänger vor die Stalltür hinzurangieren. Der Hias hat schon einen Kübel voll Zauberpulver geholt, und einen Halfterstrick und bricht meine Fahrerei mit einem Winken ab.
    »Jetz’ geh weiter, Nellinger«, nuschelt er und schüttelt den Kübel mit dem Zauberpulver.
    Sie humpelt ihm hinterher. So haben sie das die letzten drei Jahre gemacht, die zwei. Und rein in den Hänger, im zweiten Anlauf. Hias bindet sie vorne fest, ich mach die Ladeklappe zu.
    »Mmmmmh«, macht Nelly im Hänger. Und der Hias wischt die Sentimentalität aus seinem Gesicht.
    »Schorle – rot oder A?«
    »Rot.«
    Und schon eilt er in die Hütte. Er stellt mir sogar ein Glas neben die Flasche auf die Granitplatte.
    »Des geht scho so, danke.«
    »Strohhalm?«
    Und da lache ich.
    Er erzählt von den neuen Preißn, die die Alm heimsuchen, einer verrückter als der andere, von den alten Italienern, die auch nicht mehr so oft vorbeikommen wie früher, vom Lenzi Farinelli, unserem Opernstar, der seit letztem Jahr im Ochsenhimmel singt. Dafür gibt’s einen neuen Ochsen. Bonzo. Ein Pinzgauer mit Hörnern wie zwei Zaunstempen und einer Stimme grollend wie ein Löwe. Und einen halben Schnaps trinken wir, auf den Haus’n Sepp von der Hochalm droben. Pilatus, der alte Goaßbock, schaut eine Weile runter auf uns.
    Und dann ist meine rote Schorle leer. Draußen fängt’s an zu regnen.
    »Danke...«, sage ich.
    Für die Schorle. Für drei Jahre Nelly versorgen.
    »Is leicht ganga«, brummt Hias.
    »Na ja ...«
    Ich gehe durch den Nieselregen zu meinem Bus. Steige ein und wische den Nebel von meiner Windschutzscheibe. Hias hat ’s Gatter schon aufgemacht. »Ruafst o, wenn’s dahoam seid’s.«
    »Ja.«
    »Oiso, dann. Ha’we.«
    »Pfiadi.«
    Ich lächle und winke, bis ich ihn nicht mehr sehe, da am Gatter stehen. Es ist schwer, die Nelly von der Alm wegzuholen. Da hat sie hergehört. Ein fester Platz in der Welt ist was wert.
    Langsam zuckeln wir rum ums Fichtenholz. Die Alm

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