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Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
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Ich meinte: »Scheiß drauf. Keine Anzeige!« Dann haben wir uns die Hand gegeben und alles war gut, was die Bullen aber nicht ganz so sahen. Die haben ihn nämlich trotzdem angezeigt, weil er ein Messer in die Hand genommen hatte, worauf der mich dann wiederum wegen Beleidigung anzeigen wollte, aber die Bullen haben ihm gar nicht mehr zugehört, sondern mich nach Autogrammen gefragt – für ihre Kinder oder für sich selbst. Davon wurde komischerweise gar nicht in der Zeitung berichtet und da merkt man dann wieder, dass man ein paar Vorteile hat als Prominenter. Andererseits hätte ich den ganzen Ärger gar nicht gehabt, wenn ich nicht prominent wäre, wobei ich sagen muss, dass dieser Neid und dieser Hass, der einem da entgegenschlägt, ein ganz spezielles »Kanakending« ist. Natürlich gibt es auch Deutsche, die einem gewisse Dinge neiden, aber ich persönlich erfahre mehr Neid von Ausländern als von Nichtausländern. Auch diese Beschimpfungen im Internet, dieser ganze Twitter- und Facebook-Hass mit Kommentaren wie: »Ich hoffe, deine Mutter stirbt« kommt zu 99 Prozent von »Kanaken«. Und das, obwohl Ehre und Respekt für die Mutter immer ganz großgeschrieben werden.
    99 Prozent aller Missgeschicke, Pöbeleien, Anfeindungen etc., denen ich auf der Straße ausgesetzt bin, passieren mir mit »Kanaken«. Ich hatte noch nie in meinem Leben in der Form Stress mit einem deutschen Jungen, dass er mich gesehen und dann gemeint hätte: »Weißte was, du bist voll der Spast.« Noch nie. Warum das so ist? Keine Ahnung. Ist einfach so. Auch im Auto. Letztens fuhr ich auf der Schlossstraße in Steglitz und stand im Stau. Auf der Gegenfahrbahn war ebenfalls Stau und dort stand ein BMW mit zwei Arabern, wir hielten fast parallel. Das Wetter war schön, die Fenster unten, ich habe Musik gehört. Die guckten so zu mir, ich guckte geradeaus und in dem Moment, in dem der Verkehr wieder anfing zu fließen, hat der eine von den beiden mir den Stinkefinger gezeigt. Ich habe dann nur genickt: Ja, ja, kein Problem, alles cool, aber das ist mir in meinem ganzen Leben noch mit keinem Deutschen passiert. Noch nicht mal mit einem Polen oder einem Russen. Das erlebe ich nur mit Schwarzköpfen.
    Aus diesem Grund kann ich sogar nachvollziehen, dass sich Menschen unwohl fühlen, wenn sie sich einer Gruppe von ausländischen – und damit meine ich türkischen oder arabischen – Jugendlichen nähern. Die haben ein Problem damit, und ehrlich gesagt, haben sie auch allen Grund dazu.
    Als ich neulich mal wieder beim Friseur war, waren auch meine Kumpels Johnny, Mahmut, Adnan, Gökhan und wie sie alle heißen, dort. Die ganze Bande. Es war ein schöner warmer Nachmittag und genau vor dem Friseurladen steht eine kleine Bank. Da saßen und standen wir alle herum, haben geredet, gelacht und auf den Boden gespuckt und jedes Mal, wenn jemand vorbeikam, hat derjenige von einem meiner Begleiter einen dummen Spruch kassiert. Entweder wurde er von uns als dumme Schwuchtel beschimpft, oder wenn Weiber vorbeigekommen sind, haben sie Kussgeräusche gemacht und hinterhergepfiffen. Wenn die Frauen dann nicht reagiert haben, hieß es sofort: »Hey, du Schlampe.« Nach anderthalb Stunden Gerede war ich dann endlich mit dem Haareschneiden dran – und vollkommen genervt von diesem Verhalten. Genau das ist doch der Grund, warum die Menschen Absturz auf uns Ausländer haben. Weil man einfach nicht von hier nach dort und an acht »Kanaken« vorbeilaufen kann, ohne dass man blöde angemacht wird. Und da war keiner dabei, der vor uns den Dicken gemacht hätte. Die haben alle auf den Boden geguckt und trotzdem haben sie sich dumme Sprüche gefallen lassen müssen. Das ist ja sogar im Tierreich besser. Wenn ein Tier dort eine Demutsgeste zeigt, hören die Artgenossen auf zu beißen und verletzen es nicht, aber nein, hier hacken die anderen erst recht noch auf dir rum.
    Diese Gruppendynamik hat eine ganz eigene Kraft und früher hätte ich da sogar mitgemacht. Der springende Punkt an der Sache ist, dass man sich in der Gruppe stärker fühlt. Ich weiß, wenn ich vier Kumpels dabeihabe und Ärger bekomme, dann helfen die mir. Selbst wenn ich meinem Angreifer persönlich, also im Einzelkampf, unterlegen wäre – meine Kumpels regeln das für mich. Das heißt dann weiter, dass ich all meinen Frust, den ich angesammelt habe, an irgendeinem wehrlosen, unbeteiligten Opfer abreagieren kann – sei es der Ärger im Elternhaus oder der Stress mit meiner Freundin, bei

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