Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
der den Lebensstandard und die Lebensqualität in diesem Land zu schätzen weiß und bereit ist, andere an diesen Errungenschaften teilhaben zu lassen.
Ein cooler Deutscher weiß Bescheid über das reiche kulturelle Erbe dieses Landes, er kennt die große innovative technische Tradition und hält beides in Ehren oder pflegt es sogar, wobei es letztlich egal ist, ob die Eltern des genialen Maschinenbaustudenten von der TU München aus dem Libanon und die Vorfahren des begabten deutschsprachigen Schriftstellers aus Ghana stammen – wen interessiert das noch?
Der coole Deutsche kennt seine Geschichte und die Geschichte seines Volkes und vor allem kennt er auch die dunklen Kapitel dieser Geschichte. Er übernimmt dafür dahingehend Verantwortung, dass so etwas wie Faschismus, Ausgrenzung und Völkermord nie wieder passieren dürfen, muss sich aber nicht ständig für die Vergangenheit schämen oder entschuldigen.
Ein cooler Deutscher weiß Bescheid über sich und hat deshalb keine Angst vor den Fremden, sondern ist bereit, seinen kulturellen, gesellschaftlichen, materiellen und politischen Reichtum zu teilen, weil er weiß, dass er genug hat.
Denn nur derjenige, der selbst nicht genug hat oder der immerzu denkt, dass er nicht genug hat, nur der kann nicht teilen und wird immer unglücklich bleiben.
Wenn ich mich umschaue, dann bin ich schon der Meinung, dass wir stolz sein können auf dieses Land, stolz auf uns und auf alles, was dazugehört. Deutsche Literatur, deutsche Gerechtigkeit, auf unseren Rechtsstaat. Wir können auf unser Land stolz sein, wir können auf unsere Wissenschaft stolz sein, wir können auf unsere Kunst stolz sein. Auf unsere Musik können wir nicht so unglaublich stolz sein, aber auf unser Gesellschaftssystem insgesamt schon. Alles in allem, bei all den Nachteilen, die es durchaus gibt, ist es doch eine Plusrechnung. Ein Großteil der weltweit wichtigsten Erfindungen, die heute noch unser Leben beeinflussen, geht auf Deutsche zurück. Angefangen beim Auto über den Fernseher, den Computer und die Chipkarte bis hin zum Airbag. Wir sind viel schlauer und viel ausgefuchster, als wir uns das in der Öffentlichkeit eingestehen wollen. Wenn man heutzutage in seinem Land frei und sicher leben kann – und schließlich können und wollen wir alle hier leben –, dann kann man doch stolz darauf sein.
Natürlich gibt es Dinge, die man besser machen könnte oder, sagen wir mal so, die unser Leben leichter und angenehmer machen würden. Geselliger könnten wir werden. Gastfreundlicher könnten wir sein. Vor allem aber sollten wir an manchen Stellen flexibler werden, mehr Fingerspitzengefühl und mehr Freundlichkeit im Umgang miteinander an den Tag legen. In Deutschland gehen oft Dinge nicht, weil das A) schon immer so war oder weil das B) so geschrieben steht. »Warum?« – »Das steht hier so. Darum!«
Man kann den Unterschied selbst erfahren, wenn man mal auf einen Polizisten oder einen Beamten trifft, der von seinen Regeln abweicht. Wenn ich zum Beispiel mit dem Auto fahre, ein Polizist mich anhält und ich weiß, ich könnte Scheiße gebaut haben, aber er beweist Fingerspitzengefühl, belässt es bei einer Ermahnung, drückt ein Auge zu und lässt mich laufen, dann kommen wir doch beide besser raus aus der Sache. Er hat ein gutes Gefühl, weil ich ihm dankbar bin und seine Kritik bereitwillig annehme, und ich gehe auch mit guten Gedanken aus dieser Situation und denke mir: Krass, der Typ war richtig korrekt.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass solche Chancen nur allzu gern verpasst werden und dass die Deutschen genau an den falschen Stellen hart sind. Allerdings trauen sie sich nur dann, hart und konsequent zu sein, wenn ihnen das jemand gesagt hat, wenn es aufgeschrieben wurde, wenn sie sich auf einen anderen Menschen berufen können oder auf ein Gesetz. Dann sind die Deutschen konsequent, aber so richtig, und dann wird auch am falschen Ende mit der Freundlichkeit gespart.
Wenn es darum geht, aus eigenem Antrieb oder aufgrund der eigenen Überzeugung konsequent zu sein, und sie ihre Meinung vertreten müssen, dann haben die Deutschen ein Problem. Da knicken sie immer ganz schnell ein, geben nach und verziehen sich auf den Standpunkt der Beliebigkeit: Ist mir doch scheißegal. Wenn sie aber sagen können: »Da steht: Der Spielplatz ist geschlossen!«, dann ist der Spielplatz auch geschlossen und sie werden steinhart. Da müsste ein Gleichgewicht her. Statt Obrigkeitshörigkeit mehr eigene
Weitere Kostenlose Bücher