Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
bei Rot halten. Das kann alles nebeneinander existieren, es sei denn, man will das Prinzip, dass sich die Leute um sich selbst kümmern, generell schlechtmachen. Wenn man das tun will und keinen Freiraum für alternative Lebensformen lässt, führt auch kein Weg daran vorbei, dass alle Menschen, die sich selbst organisieren, kriminalisiert werden. Wenn man aber von dem Standpunkt ausgeht, dass jeder seinen Teil zu dieser Gesellschaft beitragen kann, dann kann man diesen Menschen auch das Gefühl geben, dass sie daran teilhaben können. Wenn man diese Formen der Selbstorganisation, der Ordnung und der Lebensführung aber von Grund auf verteufelt, dann verteufelt man auch diese Menschen von Grund auf und dann haben die gar keine Chance, akzeptiert zu werden, außer sie lassen alles komplett hinter sich und assimilieren sich vollständig. Eine Gesellschaft, die selbst um ihre Vorteile weiß, eine souveräne Gesellschaft muss diese Unterschiede aushalten und akzeptieren können, weil sie weiß, dass sie gute Argumente hat und das andere nach und nach in sich aufnehmen kann.
Natürlich höre ich die Alarmstimmen und lese die Schlagzeilen: »Selbstjustiz und Gewalt«. Ich kenne die ganzen Vorurteile und Vorwürfe und die Angst des Staates, Kontrolle abzugeben. Auf der anderen Seite aber, rein praktisch betrachtet, wirkt das auch wahnsinnig entlastend auf die öffentlichen Haushalte und bei den meisten Streitereien handelt es sich ohnehin nur um heiße Luft: »Isch fick ihn, weil er hat meine Freundin blablabla.« Da wird dann eine Stunde darüber diskutiert, dann geben die sich schon wieder die Hand. Diese Worst-Case-Szenarien, in denen über 500 Kilogramm Koks entschieden wird, die gibt es sowieso nicht.
Mythos Großfamilie – ein Trend
Wir haben jetzt so viel über Familien und Großfamilien gesprochen, nun wird es Zeit, dieses Phänomen genauer unter die Lupe zu nehmen. Wie schon mehrfach beschrieben, hat sich in den letzten Jahren der Begriff »arabische Großfamilie« immer mehr zu einem Synonym für mafiöse Strukturen entwickelt. Hauptstadtreporter entdeckten das Phänomen und entwickelten sich zu wahren Experten in Sachen organisierte Kriminalität, wobei sie mit den verschiedensten Namen hausieren gingen, wenn es darum ging, welcher der einschlägig bekannten Clans denn nun eigentlich die Macht in den verschiedenen Bezirken, in der Stadt und im Land besitzt.
Fand man vor einigen Jahren lediglich den LKA-Bericht »Importierte Kriminalität« im Internet, wenn man den Begriff »kriminelle arabische Großfamilie« eingab, so häufen sich heutzutage die Einträge und die Überschriften klingen erschreckend. »Rivalisierende Großfamilien feuern 18 Schüsse ab«, »Arabische Großfamilien: Staat kuscht vor kriminellen Clans«, »Das Reizthema ›arabische Großfamilien‹ stellt die Justiz vor neue Herausforderungen«, »Kriminelle Großfamilien: Sechs arabische Clans im Visier der Polizei«, »Clan-Terror sorgt für Angst in Berlins Diskotheken« oder »Nach Schießerei in Neukölln: Vernetzt gegen kriminelle Großfamilien«. Aus diesem Grund kann ich persönlich nachvollziehen, dass hier ein Klima der Angst entsteht, in dem der durchschnittliche Deutsche glauben muss, dass da Horden von bis an die Zähne bewaffneten Arabern ihr Unwesen treiben, ganze Stadtviertel terrorisieren und mit ihrer unübersichtlichen Zahl von Anverwandten, Brüdern, Halbbrüdern, Cousins und Cousinen, Onkeln und Tanten und Großcousins sowie den diversen Bekannten, die ebenfalls aus demselben Dorf kommen, die komplette Unterwelt beherrschen. Auch ich würde unter diesen Umständen meinen Gartenzaun erhöhen wollen, würde für bedingungslose Abschiebung plädieren und für härtere Strafen. Auch ich hätte Angst. Doch wie alle Klischees, die vielleicht einen wahren Kern haben, ist auch dieses Bild, das hier von den arabischen Großfamilien gezeichnet wird, stark vereinfacht und schablonenhaft.
Wenn ich jetzt sage, dass es in diesem unseren Land echte Berufsverbrecher gibt, dann ist das für manche vielleicht etwas überraschend. Deshalb in aller Deutlichkeit: Ja, es gibt Verbrecher in diesem Land, ja, es gibt schwer kriminelle Banden in diesem Land und ja, es gibt sogar organisierte Kriminalität in diesem Land und es gibt auch Großfamilien, die in diese Art der organisierten Kriminalität verwickelt sind.
Wenn ich nun auch noch erzähle, dass ich mich ein bisschen in der Musikszene auskenne und in der Medienlandschaft und ich auch
Weitere Kostenlose Bücher