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Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
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die laufen rum, als wären sie Arnold Schwarzenegger, nur weil sie einen bestimmten Familiennamen tragen.
    Wenn man befreundet ist und der eine baut Scheiße, wird bedroht oder steckt sonst wie in der Klemme, dann gäbe es diesen Zusammenhalt sicher auch und man würde seinem Freund natürlich helfen. Wenn der allerdings grundlos eine Schlägerei anfängt, besoffen aus einer Kneipe rennt, Leute anpöbelt, sich im Suff mit vier Typen anlegt und dann auf die Fresse kriegt, würde man als Freund eher sagen: »Selber schuld. Trink doch nächstes Mal weniger, dann passiert dir so eine Scheiße nicht.« Wenn man verwandt ist, funktioniert das aber nicht. Man muss trotzdem helfen. Auch in so einem Fall sorgt der Familienverband dafür, dass man sich gegenseitig unterstützt, selbst wenn der eine ein kompletter Vollidiot ist. Man muss seinem Cousin helfen, einfach weil der eigene Vater und seine Mutter Geschwister sind oder die eigene Mutter und seine Mutter oder die eigene Mutter und sein Vater oder welche Konstellation auch immer.
    Diese Art von Verpflichtung sorgt dafür, dass der Mythos Großfamilie immer noch ein bisschen größer erscheint, als er in Wirklichkeit ist – besonders wenn es um Verbrechen geht. Wenn in einer Großfamilie 30 Cousins leben, dann sind definitiv nicht alle 30 gleichermaßen stark kriminell organisiert. In den meisten Fällen sind es nicht mehr als eine Handvoll, die wirklich was auf dem Kerbholz haben. Kommt es aber zu irgendwelchen Schwierigkeiten, müssen die anderen trotzdem alle helfen kommen. Immer! Das ist eine wahnsinnige Belastung für alle, die nichts mit diesen Straftaten zu tun haben und ein ordentliches Leben führen möchten. Ein Problem, das ich mittlerweile aus eigener Erfahrung kenne, wobei mir die Hysterie der großen Medien beim Thema »kriminelle Großfamilien« vollkommen unverständlich ist. Es wird so getan, als wäre dieser Staat machtlos gegen die allgewaltigen Araberclans.
    Bei einem Anwalt hat ein guter Freund von mir neulich zusammenzählen lassen, wie viele Leute in Berlin tatsächlich mit ihm verwandt sind. Mit allen Nichten und Neffen sind sie auf insgesamt 38 gekommen. Das klingt nicht ganz so spannend wie die im Stern genannten 200 Familienmitglieder, es würde die Vorwürfe gegen seine Familie aber auch nicht entkräften, denn natürlich verfolgt die Polizei die Berliner Unterwelt ganz genau und kennt die dortigen Strukturen sehr gut. So beobachten sie zum Beispiel die Machenschaften der Hells Angels, der Bandidos und anderer Banden, die im Verdacht stehen, organisiert kriminell aktiv zu sein, und stellen sich die Frage, warum diese Vereinigungen Respekt vor der Familie meines Freundes haben. Sie denken sich, dass da irgendwas sein muss, wenn sogar Unterweltgrößen Achtung haben. Was sie dabei vergessen, ist, dass diese Vereinigungen nicht aus dem Nichts entstanden sind und sich die Menschen, die aus einem gewissen Milieu kommen, untereinander kennen. Bevor ein Hells Angel zu einem Hells Angel wird, war er ein ganz normaler Jugendlicher auf der Straße, der meinen Freund und seine Brüder schon von klein auf kennt. Sollen sie ihm jetzt nicht mehr Hallo sagen, nur weil er eine Kutte trägt? Sollen alle nun verleugnen, woher sie kommen?
    Natürlich haben mein Freund und seine Brüder einen gewissen Ruf, denn als sie Jugendliche waren, sah Neukölln noch ein wenig anders aus als heute. Es gab Kieze, in denen die Polizei nicht gerne gesehen war, und es gab Jugendbanden, die sich heftige Auseinandersetzungen lieferten.
    In Kreuzberg gab es die 36 Boys, im Wedding die Black Panthers und in Neukölln die Spinne, benannt nach dem Spinnengerüst auf dem Spielplatz im Rollbergviertel, wo die dortigen Jugendlichen immer abhingen. Aus dieser Zeit gibt es wilde Geschichten und mit Sicherheit haben alle Dinge getan, auf die sie heute nicht mehr stolz sein können. Auch ich habe in meiner Vergangenheit Dinge getan, die einfach asozial und widerlich waren und an die ich mich nicht gerne zurückerinnere. Sollen wir sie leugnen? Deshalb sind sie trotzdem passiert und es gab eben Menschen, die sich gegen die anderen durchsetzen mussten.
    Straßengangs wie die Black Panthers und die 36 Boys haben immer wieder versucht, ihren Einflussbereich zu vergrößern, bis sie nach Neukölln gekommen sind und die Jugendlichen dort sich das nicht haben gefallen lassen. Die Spinne hat den Spieß dann einfach umgedreht. Es ging um Discotheken und Jugendzentren. Wenn man wusste, dass dort die

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