Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
Herren weigerten sich, den Vertrag aufzuheben, und behaupteten, dass sie massive Kosten gehabt hätten, die ich ihnen zurückzuerstatten hätte, andernfalls würden sie mich als Künstler kaltstellen und ich würde in diesem Business nie wieder einen Fuß auf den Boden bekommen und keine einzige Platte mehr veröffentlichen. Sie meinten das vollkommen ernst und ich zweifle bis heute nicht daran, dass sie diese Drohung wahr gemacht hätten, wenn sie gekonnt hätten.
In dieser Situation bin ich in ein Café gegangen und habe mich dort an einen Bekannten gewandt. Dieser wollte zuerst nicht, er dachte, ich verarsche ihn. Er hat vorher noch nie etwas vom Musikgeschäft gehört und Gangsterrap fand er zum Lachen. Er hat sich meine Geschichte angehört und gemeint, wenn ich ihm eine Lüge erzählt hätte, dann würde er mich kaputt schlagen. Wir sind dann zusammen in das Büro gefahren und der Rest ist mehr oder weniger bekannt bis auf die Tatsache, dass es erst zu einer nachdrücklicheren Argumentation kam, als einer der Chefs den geforderten Aufhebungsvertrag mit drei XXX unterschrieben hat. Das war eine Frechheit, die wir uns nicht gefallen lassen haben.
Ich verstehe voll und ganz, wenn Aggro Berlin diese Geschichte vollkommen anders erzählt. Vielleicht haben sie aus ihrer Sicht ja sogar recht. Ich verstehe auch, wenn die Staatsanwaltschaft Berlin, die deutsche Polizei und die deutsche Mehrheitsgesellschaft aufschreien aus Angst vor dieser Art von Selbstjustiz – aber welche Chance hätte ich denn gehabt? Wie oft werden junge, aufstrebende Künstler von windigen Managern zu Beginn ihrer Karriere eingesackt und mit Knebelverträgen versehen, aus denen sie nie wieder herauskommen? Hätte ich vor Gericht gehen sollen, um nach drei Jahren endlich recht zu bekommen? Wahrscheinlich hätte ich sogar recht bekommen, da die Verträge ohnehin sittenwidrig waren, aber wie lange hätte ich darauf warten sollen? Ich wäre kaputt gegangen, Aggro Berlin wäre in der Zwischenzeit vielleicht auch pleite gewesen und am Schluss hätten wir alle mit leeren Händen dagestanden.
Ich habe ihnen ja noch nicht einmal ihren Anteil weggenommen. Ich habe nur das genommen, was mir gehört hat, und im Endeffekt sind wir alle nicht schlecht damit gefahren. Ja, es war illegal. Ja, es war nicht richtig. Ja, es war Selbstjustiz, aber es war schnell und effektiv und aus meiner Sicht absolut gerecht. Und darum geht es. An diesem Punkt besteht definitiv Handlungsbedarf für die deutsche Zivilgesellschaft, damit niemand mehr zu solchen Mitteln greifen muss. Das meine ich ernst. Ich finde das nicht gut, was wir da gemacht haben, aber es war gerecht.
Selbstverständlich sehe ich auch die Probleme, die ein solches Vorgehen mit sich bringt, und vor allem die Probleme, die ein Rechtsstaat mit solchen Instanzen hat. Denn derjenige, der da eine Entscheidung trifft, muss ja auch die Macht haben, diese Entscheidung durchzusetzen. Er muss in der Lage sein, beide Parteien davon zu überzeugen, dass es besser ist, wenn sie sich an die Abmachung halten. Im besten Fall entsteht dieses Anerkennen aufgrund der Tatsache, dass beide Parteien einsehen, dass da eine gerechte Lösung gefunden werden muss. Dieses moralische Rechtsempfinden anzusprechen ist das Ziel von solchen Verhandlungen. Problematisch bei dieser Form der Urteilsfindung ist aber vor allem, dass es keine Möglichkeit gibt, Widerspruch gegen ein gefälltes Urteil einzulegen, und dass es keine höhere Instanz gibt, die den Schiedsspruch bei einer Berufung kontrolliert. Damit sind der Willkür und dem Missbrauch natürlich Tür und Tor geöffnet, sofern es sich bei der entscheidenden Instanz nicht um einen absolut integeren Menschen handelt.
Trotz allem sollte man diese Orte, diese Strukturen, diese Cafés nicht generell verteufeln. Der deutsche Staat sollte sie beobachten und kontrollieren, aber auch als Orte eines aktiven Gemeinwesens schätzen lernen und vielleicht gelingt es ja auf lange Sicht, sie in ein staatliches System einzugliedern. Denn trotz des Wunsches, dass sich alle integrieren und immer mehr angleichen, sind wir, jeder für sich, doch auch noch ein wenig individuell und haben unsere eigene Kultur. Solange man seinen Bürgerpflichten nachkommt, die man auf keinen Fall vernachlässigen darf, darf man doch auch ein bisschen anders sein. Das kann man alles unter einen Hut bringen und wir können trotzdem in dieser Gesellschaft leben, hier arbeiten, unsere Steuern bezahlen, zur Wahl gehen und
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