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Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
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noch weiß, dass sich die Droge Kokain in diesen Branchen einer großen, wenn nicht sogar sehr großen Beliebtheit erfreut, dann überrascht das vielleicht noch mehr Leute. Trotzdem behaupte ich jetzt mal, dass sämtliche Journalisten in diesem Land mindestens eine Person kennen, die regelmäßig Kokain konsumiert. Woher kommt dieses Kokain? Wer importiert es? Gymnasiasten aus Berlin-Zehlendorf oder Milliardärssöhne aus München-Grünwald? Nein, diese Drogen werden tatsächlich von organisierten Banden in dieses Land geschmuggelt und organisierte Verbrecher übernehmen die Transportwege bis weit hinein in den Straßenverkauf. Jeder, der also auch nur ein Gramm Kokain kauft, unterstützt damit die Mafia. Ich weiß, dass es manchen Journalisten schwerfällt, eins und eins zusammenzuzählen und diesen Zusammenhang zwischen dem Drogenkonsum der Kollegen und der organisierten Kriminalität herzustellen, aber es ist so und tatsächlich ist es auch so, dass ich ein paar Menschen kenne, die damit zu tun haben. Tatsächlich kenne ich Menschen, die ich für echte Verbrecher und organisierte Kriminelle halte. Für mich ist das nichts Besonderes. In einem Interview habe ich schon einmal darauf hingewiesen, dass es für mich aufregender wäre, einen Atomphysiker kennenzulernen als einen organisierten Kriminellen. Woran das liegt? Das liegt an meiner Herkunft und daran, wo und mit wem ich aufgewachsen bin. Die Wahrscheinlichkeit, einen organisierten Kriminellen kennenzulernen, ist in Neukölln einfach um ein Vielfaches höher, als einen Atomphysiker zu treffen, während es in Zehlendorf wahrscheinlich einfacher ist, einen Arzt oder Anwalt kennenzulernen statt einen Drogendealer oder Schutzgelderpresser.
    Natürlich kenne ich in diesem Zusammenhang auch einige Familienclans, von denen man zu Recht sagen kann, dass sie teilweise in kriminelle Machenschaften verstrickt sind, wobei man aber auch hier nicht alle Leute über einen Kamm scheren darf, nur weil sie denselben Namen tragen. Hier muss man ein wenig unterscheiden, denn schon allein die ganzen Frauen in den Familien, die Cousinen, Schwestern, Mütter und Tanten, sind außen vor und nie so stark in irgendwelche kriminellen Machenschaften verstrickt wie vielleicht die Männer.
    Nichtsdestotrotz gibt es sicher Familienverbände, in denen ein gewisses kriminelles Potenzial steckt und die tatsächlich eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen. Das Problem mit den sogenannten Großfamilien hat sich in Deutschland Mitte der 80er- und Anfang der 90er-Jahre ergeben, hat aber eine jahrhundertealte Vorgeschichte. Im Großen und Ganzen war es so, dass im 15. und 16. Jahrhundert syrisch-irakische Landarbeiter nach Kurdistan ausgewandert sind, wo sie sich auf dem Gebiet der heutigen Türkei rund um die Stadt Mardin niedergelassen haben. Es gibt Theorien, die besagen, dass diese Araber von der osmanischen Verwaltung mit Absicht dort angesiedelt wurden, um die aufständischen Kurdengebiete zu befrieden. Doch das Gegenteil geschah. Die jeweiligen Clans verstanden sich bald als Teil der kurdischen Gemeinschaft und bezeichneten sich selbst auch als Kurden, behielten aber ihre arabische Sprache bei und pflegten bald regen Kontakt in den nahe gelegenen Libanon. Anfang des vorigen Jahrhunderts bis in die 40er-Jahre hinein arbeiteten viele dieser sogenannten Mhallamīye-Kurden als Gastarbeiter im Libanon. Aufgrund des Drucks der kemalistischen Regierung auf die Kurdengebiete in der Türkei wanderten einige Familien zu dieser Zeit in den Libanon aus, wo sie allerdings nie richtig eingebürgert wurden. Sie erhielten sogenannte libanesische Fremdenpässe, in denen unter Nationalität »à l’étude« vermerkt war, was so viel bedeutet wie »zu überprüfen« oder »ungeklärt«. Zu Beginn des libanesischen Bürgerkriegs 1975 lebten ungefähr 100 000 bis 150 000 dieser Mhallamīye-Kurden im Libanon. In den folgenden Jahren flohen sie teilweise ins westeuropäische Ausland, wobei es aufgrund der unterschiedlichen Transkription der arabischen Namen ins Französische und Englische sowie aufgrund der Tatsache, dass es zu dieser Zeit keine elektronische Vernetzung der verschiedenen Aufnahmelager und Sozialämter gab, zu einiger Verwirrung kam. Familienmitglieder aus der Türkei reisten in die Bundesrepublik ein und erlangten einen Aufenthaltsstatus, weil sie denselben Nachnamen trugen. Die Pässe wurden weggeworfen, Identität und wahre Herkunft ließen sich nur schwer bis gar nicht klären. Der

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