Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Student war.
» Das ist ja ein herrlicher Brief von Fred. Wie alt war er? Zwölf, nicht? Eine tolle Zeit für ein Ferienlager. Wie war ich mit zwölf? Manchmal ist das schon seltsam, wie die Menschen zueinander stehen. Man hat das Gefühl, für Fred gibt es seine Eltern kaum, nur seinen Grandpa. Ob der nie mehr Arbeit gefunden hat? Er war doch so ein Hitzkopf, stand in dem Brief von Martin. Wie geht es weiter?«, fragte Sophie.
Sie fanden noch eine Todesanzeige – offenbar von der Großmutter von Mabels Seite, Freds Mutter. Und schließlich noch einen Brief von Jeff an Fred, der wie ein Testament überschrieben war.
Mein letzter Wille !
San Francisco, 15. Januar 2000
Mein liebster Fred,
das neue Jahrtausend hat angefangen, das alte Jahrhundert versinkt in der Vergangenheit.
Aber wir mü ssen dafür sorgen, dass die Vergangenheit nicht für null und nichtig erklärt wird.
Ich denke ü ber mein und dein Leben nach und meine, ich muss dir jetzt schreiben, solange ich noch geistig und körperlich dazu in der Lage bin. Man weiß ja nie in meinem Alter. Erst einmal möchte ich dir sagen, wie stolz ich auf dich bin. Du bist der Mensch, der mir am allernächsten ist, den ich über alles liebe.
Geh deinen Weg, mein Junge, so wie du den ersten Teil schon geschafft hast. Bist du doch der erste in unserer Familie, der studiert. Und das aus eigener Kraft, obwohl wir kein Geld für ein Studium haben!
Nun studierst du auch noch Jura, Recht. Aber da gibt es trotzdem immer noch die Hypothek von deinem Ur-Ur-Großvater, das Unrecht, das ihm angetan wurde.
Ich musste ihm auf dem Sterbebett versprechen – wie du es inzwischen in dem letzten Brief von ihm an mich nachlesen kannst – das an ihm begangene Unrecht zu rächen.
Nie konnte er seine Tochter - von der man ihm erzä hlte, sie hätte sein dunkelrotes Haar gehabt - vergessen, nie seine große Liebe. Beide kamen ums Leben, ohne dass er etwas machen konnte. Das hat er nie verwunden.
Ich habe dir die Geschichte immer wieder erzä hlt – du kennst sie. Was ich dir nicht gesagt habe – um was für eine Familie es sich handelt. Und als du dann einmal deine neuen Freunde Marc Snyder und Joanne York vorgestellt hast, die bei dir zum Lernen waren, konnte ich es nicht glauben.
Denn Joanne York ist diejenige, ü ber die wir uns rächen können und müssen an der Familie York. Sie sind die Nachkommen von Lona und von dem Fräulein Margarethe, die Urgroßvater Martins Lehrerin war.
Deshalb, weil ich es nicht glauben konnte, dass sie, Margarethes Enkelin, plötzlich hier in San Francisco einfach zu uns hereinspaziert kam, habe ich sie damals nach ihrem Zuhause und ihrer Familie gefragt.
Du musst den Ausgleich fü r das vergangene Unrecht schaffen!
Ich weiß , dass das nicht leicht für dich ist und ich hoffe, du magst das Mädchen nicht zu sehr. Aber ich habe es meinem Großvater versprochen und gebe dir das als meinen letzten Willen weiter.
Du musst sie vernichten, egal wie. Ob juristisch, ob du sie g esellschaftlich unmöglich machst oder am besten dabei hilfst, dass sie zu Tode kommt. Du musst ihre Eltern zum Leiden bringen! Du musst die kleine, rothaarige, tote Tochter von Zach rächen.
Du musst mir das versprechen. Bei unserer Liebe.
Alle meine Sachen – es sind wenig wertvolle darunter – vererbe ich dir.
Denk immer daran, wie sehr ich dich geliebt habe. Dein Vater war mir nie so nahe wie du. Er war immer zu schwach.
Geh deinen Weg und erfü lle meinen letzten Willen!
Dein Groß vater Jeff
Kapitel 3 5
Lene klappte den Ordner zu. Sie war hatte das Gefühl, dass sie nicht mehr atmen konnte. Hier war es, das Motiv. Sophie gab ein Geräusch von sich, als würde zischend Luft entweichen.
» Das kann doch nicht wahr sein. Ist Freds Grandpa verrückt gewesen, so etwas zu schreiben? So etwas zu wollen? Sippenhaft, oder was ging in seinem Kopf vor? Das ist einfach Bösartigkeit, die haben doch alle einen Knall! Ich könnte platzen vor Wut.«
L ene schüttelte immer noch ungläubig den Kopf.
» Ich weiß überhaupt nicht, wie ich darauf reagieren soll. Ich kann es auch nicht glauben. Brutal. Nach so einer langen Zeit! Und das hat Fred an dem Tag gelesen? Wie muss es ihm ergangen sein! Der letzte Wunsch seines wichtigsten, liebsten Menschen. Das ist doch absurd – und wirklich schrecklich für ihn. Wie kann ein Mensch so etwas fordern? Es erinnert an die alten Flüche in früheren Zeiten. In was für eine Situation hat Jeff Fred da gebracht! Aber die Frage
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