Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
du zurückkommen solltest. Er hat es nicht leicht gehabt und alles für uns getan. Trotzdem – manchmal denke ich, dass der Hass seine Hauptantriebsfeder ist. Immer wieder fällt er in die alten Geschichten zurück. Deutschland, aber vor allem Familie Haffner - das sind seine Gegner. Während der letzten Wochen habe ich viel darüber nachgedacht, was er mir immer wieder und wieder erzählt hat – seit meiner Schulzeit mit Fräulein Margarethe. Jeden Tag hat er gegen sie gehetzt – und später ständig davon gesprochen, dass er ihr den Tod seiner Tochter heimzahlen wird. Er hat sogar in Erfahrung gebracht, dass Fräulein Margarethe jetzt York heißt und irgendwo in Kalifornien lebt. Wohl nicht an der Küste. Ihr Mann ist Arzt.Aber Jeff, das ist doch alles vergangen! Es hat doch nichts mehr mit uns zu tun. Wir haben hier unser eigenes Leben in diesem neuen Vaterland Amerika. Zachs Fehler oder Schicksalsschläge sind für uns nur insofern wichtig, dass wir nicht viel Geld hatten. Aber sowohl du als auch ich haben unser Auskommen – nicht viel und bestimmt nicht so viel, wie die Familie Haffner oder auch die Yorks, aber es hat immer arme und reiche Menschen gegeben. Sie waren damals schon wohlhabend, Zach nicht.
Denk immer daran und lass dich von deinem Großvater nicht vergiften. Wenn es nicht schon zu spät ist – Ich weiß, wie er sein kann, auch jetzt mit weit über siebzig. Du musst stark werden gegen ihn und darfst dich nicht in die Fortsetzung seines Lebens zwingen lassen.
Das wollte ich dir noch sagen.
Ich wünsche dir alles Glück für dein Leben, mein Sohn – dass du unverletzt und heil wieder zurückkehrst nach Hause.
Dein dich liebender Vater.
» Zwei Tage vor seinem Tod hat er das geschrieben. Wenigstens war Martin kein solcher Zornteufel wie Zach, wie sich Zacharias jetzt nennt. Mal sehen, wie Jeff war. Was hast du noch?«
Lene fand den Brief sehr bewegend. Dachte an die Briefe ihres Großvaters Georg aus dem Frankreich des ersten Weltkriegs, daran, wie die Männer – und alle Menschen dort – hatten leiden müssen. Auch ihr Großvater hatte wenige Tage vor seinem Tod – zwei oder drei? – einen Brief an seine Frau Elise geschrieben. Das war für Lene immer besonders ergreifend gewesen.
» Das muss ihm sehr wichtig gewesen sein, dass er fast nur von dieser Wahnvorstellung von Zach schreibt. Denn es scheint wirklich wie eine Obsession gewesen zu sein für ihn. Nach dem Motto: Wenn es die nicht gäbe, wäre es mir in meinem Leben gut gegangen. Da siehst du mal, wohin solche Gedanken führen.«
Sophie sah ganz irritiert hoch, merkte aber, dass sich Lene nur im Scherz auf ihr Gesprä ch vorhin bezog.
» Also – manchmal kannst du ganz schön anstrengend sein«, schmollte Sophie. »Hier. Die Heiratsurkunde. Jeff hat 1945 geheiratet, eine Vivian. Schöner Name, findest du nicht?«
Zehn Monate später wurde Reginald geboren. Freds Vater.
» Und Zach? Wie lange hat er noch gelebt? Er war auch schon fast achtzig, oder?«, fragte Lene.
Da nn fanden sie die Sterbeurkunde.
» Dreiundachtzig ist er geworden. Na, ganz schön alt für das, was er mitgemacht hat«, fand Sophie.
Lene starrte auf die Sterbeurkunde. Da endete 1948 das Leben, das so heftig auf ihrer aller Leben eingewirkt hatte. Ein hitziger Moment, ein rachelüsterner Augenblick – und alles wurde anders. Für beide Familien. Jetzt denke ich schon genauso wie er, ermahnte sich Lene. Trotzdem empfand sie die Nähe zu dem Tod dieses Mannes, den sie nur aus Lonas Leben kannte.
Sie fanden Reginalds Schulzeugnisse, seinen Lehrabschluss als Einzelhandelskaufmann. Seine Hochzeitsanzeige mit Mabel 1973. Dann ein Brief von Jeff an seine Frau Vivian.
San Francisco , 25. April 1977
Liebste Vivian!
Nun bist du schon drei Wochen fort und ich hoffe, dass der Aufenthalt bei deinen Eltern in der frischen Bergluft dir ganz schnell hilft wieder gesund zu werden. Denn wir vermissen dich sehr.
Stell dir vor, vor zehn Tagen haben Will York und seine Frau eine Tochter bekommen. Noch auf seine alten Tage!! Es ist nicht zu glauben. Er ist doch schon weit über fünfzig. Habe ich aber nur zufällig über Deutschland erfahren, ihren Wohnort kenne ich immer noch nicht. Da kocht in mir wieder die Wut hoch. Die haben eben einfach alles, und wenn ihnen mal was versagt bleibt, kommt es später! Mir war ganz schlecht, als ich die » gute Neuigkeit « erfuhr. Nun können sie die Prinzessin verwöhnen. Du weißt, was ich Großvater Zach versprochen habe! Ich
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