Auf Allie ist Verlass
Mrs Hauser machte Fotos von uns. »Allie, du siehst fantastisch aus. Überhaupt nicht bescheuert.«
Doch im Vergleich zu den anderen Mädchen sah ich sehr wohl bescheuert aus. Sie sahen in ihren Verkleidungen als Superstar, Rockstar, Schulprinzessin, Vampir und Stadtelfe wahnsinnig erwachsen aus. Ich war die Einzige, die wie ein Kind im Halloween-Kostüm aussah. Trotz meiner traurigen Diamantträne.
»Ich habe es dir ja gesagt«, erwiderte ich und zupfte an meiner roten Schärpe. »Piraten sind was für Sechsjährige.«
»Ich dachte, du würdest eine coole Piratin«, sagte Brittany. »Wie Keira Knightley. Anscheinend nicht, egal.«
Das war’s. Einfach egal . Als würde es überhaupt keine Rolle spielen, dass sie mir mein einzigartiges Glitterati-Shopping-Erlebnis verdorben hatte. Was ich wahrscheinlich sowieso nicht gehabt hätte, weil ich ja gar kein Geld dabei hatte, womit ich etwas hätte kaufen können. Trotzdem. Und was war aus meiner Chance geworden, meine Fantasie und Kreativität spielen zu lassen, um mir meine traumhafte Zukunft auszumalen? Im Gegensatz zu meinem kleinen Bruder hatte ich mir nie eine Zukunft als Piratin ausgemalt. Zum Teufel damit!
»Ihr seht alle total toll aus!«, rief Dusty, der Fotograf.
Dusty hatte lange Haare und genau wie Randy in einem Ohr einen Ohrring. Außerdem trug er eine mehrere Ketten.
»Na los, dann ab auf den Laufsteg! Wer ist zuerst dran? Das Geburtstagskind?«
»Nein«, sagte Brittany. »Paige, fang an.«
Paige strich sich ihre geglätteten Rockstarhaare aus dem Gesicht.
»Cool«, sagte sie und stieg auf den Laufsteg.
Während die Musik dröhnte, lief sie über den roten Teppich, und Dusty feuerte sie an: »Super! Fantastisch! Du bist ein Rockstar! Du bist wundervoll!«
»Vielen Dank«, sagte Paige höflich, als sie am Ende des Laufstegs ankam. Dann sprang sie wieder runter.
Wenn ihr mich fragt, war das Ganze eher enttäuschend. Paige war gar nicht richtig gelaufen , so wie die Models in den Sendungen, die Harmony gerne bei uns ansieht, wenn meine Eltern nicht zu Hause sind. Sie war einfach nur über den Laufsteg gegangen. Kein Stolzieren, kein Tänzeln, keine Posen. Sie war kein bisschen aufregend. Sie hatte nicht mal mit den Augen gelächelt.
Kaum hatte Paige den Laufsteg verlassen, wurde sie von Brittany mit Fragen bombardiert.
»Wie war es?«
»Schön.« Paige zuckte mit den Schultern.
»Nicht irgendwie seltsam?«, fragte Brittany.
Der Laufsteg ging mitten durch den Laden, und alle konnten einen sehen, wenn man darüberlief. Darauf hatte Brittany wahrscheinlich angespielt. Sie befürchtete, dass die Leute sie anstarren würden.
»Nein«, antwortete Paige. »Also, es macht einem schon ein bisschen Angst. Aber ich bin einfach so schnell wie möglich gegangen.«
»Gut«, sagte Brittany. »Jetzt du, Lauren.«
Lauren gehorchte. Bei ihr war es im Grunde das Gleiche. Summer, Mrs Hauser und wir anderen Mädchen saßen im Publikum und jubelten ihr zu, während Dusty fotografierte. Aber genau wie Paige machte auch Lauren keinerlei Anstalten, irgendwie interessant auszusehen. Sie rannte fast und blieb nur einmal stehen, damit Dusty sein Foto machen konnte. Und genauso lief es bei Mary Kay, Courtney und Brittany. Schließlich war ich dran.
Als ich über den Laufsteg betrat, beschloss ich, es anders zu machen. Ich versuchte, mir meine Zukunft auszumalen – wie es sein würde, wenn ich als weltberühmte Schauspielerin und Tierärztin über den roten Teppich ging und ständig fotografiert werden würde. Ich musste mich langsam daran gewöhnen, weil sich mein Leben dahingehend entwickeln würde … in Limousinen zu fahren, über den Laufsteg zu schlendern, von Paparazzi verfolgt zu werden, die ein Foto nach dem anderen schossen, und von Fans belagert zu werden, die um ein Autogramm bettelten. Ich wäre eine öffentliche Person, weil ich durch meine zahlreichen Filmrollen so berühmt werden würde und weil ich so vielen Haustieren das Leben gerettet hätte.
Als ich über den Laufsteg ging – zu dem Song »I’m Gonna Knock You Out«, worin eine gewisse Ironie lag, weil Missy zu demselben Song ihre Tanznummer vortrug und ich mich fragte, wie es ihr beim Wettkampf wohl erging, und wie viel mehr Spaß Erica, Caroline und Sophie hatten (wie könnte es anders sein?) –, gab ich mir Mühe, richtig gut zu laufen , so wie die Models im Fernsehen. Außerdem lächelte ich alle Menschen im Laden an, an denen ich vorbeilief. Missy würde beim Stabwerfen auch alle
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