Auf Allie ist Verlass
Glitterati-Girl ihren Look bereits ausgesucht hat«, sagte Summer und zeigte auf meinen Arm voll Anziehsachen, »könnte sie ja schon zu den Verschönerungskabinen vorgehen, um sich verwandeln zu lassen. Vielleicht möchte eine andere Freundin Pirat werden, Brittany.«
Brittany schüttelte den Kopf und starrte mich an. Ich wusste nicht, wann ihre Einstellung zu mir gekippt war, aber ihre Miene verriet, dass ich plötzlich schlecht angeschrieben war.
Genau aus diesem Grund habe ich mein Regelbuch. Man weiß ja nie, wann man jemanden auf die Füße tritt – ganz ohne Absicht! Ich hatte doch nur gesagt, dass ich kein Pirat sein wollte. Und jetzt war das Geburtstagskind sauer auf mich.
»Nein«, sagte Brittany und kniff die Augen zusammen. »Allie möchte Piratin werden. Nicht wahr, Allie?«
Ich wollte mich auf keinen Fall als Pirat verkleiden und ich wollte nicht so fotografiert werden. Im meinem ganzen bisherigen Leben hatte ich noch nie das Bedürfnis gehabt, Pirat zu sein oder so auszusehen. So hatte ich mir meine Zukunft nicht ausgemalt. Ich wollte Schauspielerin und Tierärztin werden. Und die Anziehsachen dafür hatte ich schon ausgesucht.
Aber ich sah es Brittany an, dass ich Probleme bekommen würde, wenn ich nicht tat, was sie wollte. Genau wie damals, als Brittany die Katze ihrer Mutter in den Koffer gesteckt hatte. Und genau wie damals wollte ich nicht nachgeben. Ich wollte meinen Traum, Schauspielerin/Tierärztin zu werden, nicht aufgeben.
Natürlich war es viel schlimmer, wenn jemand ein lebendiges Tier in einen Koffer steckte. Hier ging es nur um Brittanys Wunsch, dass ich mich auf eine bestimmte Art und Weise verkleiden und fotografieren lassen sollte. Außerdem hatte sie Geburtstag.
Man darf das Geburtstagskind an seinem Geburtstag nicht absichtlich unglücklich machen.
Das war eine Regel. Und zwar eine, die ich damals an Mary Kays Geburtstag auf schmerzliche Art und Weise hatte lernen müssen. Das war auch der Grund, dass Mary Kay und ich keine besten Freundinnen mehr waren. Aber ich hatte damals auch kapiert, dass Mary Kay nie meine beste Freundin auf dieser Welt sein konnte. Trotzdem wollte ich Brittany nicht den Geburtstag so vermiesen, wie ich es damals mit Mary Kay getan hatte. So konnte ich mir keine Freunde machen – oder sie behalten.
Es spielte keine große Rolle, wie ich mich verkleidete, oder? Es ging ja nur um diesen einen Tag. Ich würde mich nicht automatisch in eine Piratin verwandeln, wenn ich groß war, nur weil ich mich an diesem Tag als Piratin verkleidete, während Glitteratistaub an mir klebte.
Das war eine Regel.
»Na, gut«, sagte ich und reichte die Anziehsachen an Lauren weiter. Sie sollte schließlich ein Teenie-Superstar werden. »Dann werde ich eben Piratin.«
Und so geschah es. Es war nicht zu fassen. Ich überließ es Summer, ein Piratenkostüm für mich auszusuchen: alberne ausgebeulte Stiefel, eine schwarze Samthose, weißes Hemd, rote Schärpe, Säbel, Weste, praktisch alles, was mein Bruder Kevin seit Monaten jeden Tag in die Schule anzog. Dann ging ich zu den Verschönerungskabinen, um mich verwandeln zu lassen.
Randy, ein Mann in Onkel Jays Alter, bändigte meine Locken mit dem Glätteisen und legte Eyeliner auf, angeblich genauso wie Keira Knightley in den Fluch-der-Karibik -Filmen. Als ich dann mein Spiegelbild in dem großen Spiegel im Ankleidezimmer sah, fand ich mich jedoch nicht sonderlich verwandelt.
Deshalb fragte ich Randy, ob ich vielleicht ein paar Glitzersticker im Gesicht haben dürfte, so wie Summer. Er sagte Ja und klebte mir einen in den rechten Augenwinkel. Weil ich als Piratin verkleidet war und nicht als Elfe, hatte er eine Diamantträne ausgewählt … als Zeichen des tiefen Mitgefühls, das ich für meine Opfer empfand, sagte Randy. Das war immerhin ganz okay. Dann kam der Zeitpunkt, dass man den anderen seine Verkleidung zeigte.
Als ich mit gezogenem Säbel aus meiner Verschönerungskabine kam, war es nicht mehr ganz so schlimm, dass ich keine Schauspielerin/Tierärztin werden durfte, weil ich wie eine ziemlich coole hübsche Piratin aussah. Doch Brittany, Lauren, Paige und Mary Kay fingen bei meinem Anblick an zu lachen.
»Oh nein«, sagte Brittany. »Siehst du dämlich aus, Allie!«
»Wieso?« Ich sah an mir herunter. »Ich bin eine Piratin. Du hast gesagt, ich soll mich so verkleiden.«
»Ich weiß«, sagte Brittany und lachte weiter. »Ich konnte ja nicht wissen, dass es so bescheuert aussehen würde.«
»Aber Brittany!«
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