Auf Amerika
sagte die Lammermutter, haben Städter im Krieg gebracht und dafür Butter, Eier, zwei Hühner und einen Sack Kartoffeln mitgenommen. Der Sepp sollte es jetzt endlich einmal zusammenhacken, das Scheißzeug, das verreckte, schimpft der Lammervater, das stehe doch nur im Weg herum und habe für niemanden einen Sinn.
Meine Mutter kam mit einem Lappen zurück und begann, die Tastatur zu säubern. An der Werkbank fand sie einen runden Stuhl ohne Lehne, einen Hocker, auf dem der Sepp saß, wenn er seine Figuren für den Maibaum schnitzte.
Eine halbe Stunde später saß meine Mutter auf dem Hocker und spielte. Die Lammers und mein Vater kamen zum Schuppen herüber, Nachbarn wurden von den ungewohnten Tönen angelockt, sogar der Veit kam und staunte. Ein Dutzend Menschen stand fast andächtig da und schaute und hörte meiner Mutter zu. Wir Kinder standen ganz vorne. Ich war stolz auf meine Mutter, wie sie sich da immer mutiger und entschlossener des Instruments bemächtigte. Es klang nicht wie die Musik, die wir sonntags manchmal im Radio hörten. Es klang kaum nach Musik, auch nicht wie das Ziehharmonikaspiel vom Sepp. Er ist völlig verstimmt, sagte meine Mutter, worunter ich mir nichts vorstellen konnte. Ich starrte gebannt auf die kleinen Hämmerchen und auf die Stahldrähte unter dem Flügeldeckel. Es war lustig, wie die vertrocknete Hühnerscheiße, kleine Bällchen, auf den Saiten herumsprang, solange meine Mutter spielte. Der ist sehr kostbar, sagte meine Mutter, man muss ihn stimmen lassen. Als sie aufhörte zu spielen, die Hände auf die Knie legte und weiterhin auf die Tasten starrte, zollten ihr alle Respekt. Schaut nur, hört nur, was die Frau Seiler kann! Singen kann sie und Klavier spielen. Zum ersten Mal sah ich, dass mein Vater auf etwas stolz war, was meine Mutter tat.
Obwohl mein Vater in den nächsten Tagen die Idee entwickelte, dass man den Schimmel, wie er ihn fachmännisch nannte, stimmen ließ und die Mutter dann darauf Kindern das Klavierspielen beibringen sollte, gegen Bezahlung natürlich, hatte der Sepp mit dem Instrument etwas ganz anderes vor.
50
Eines Tages kommt ein Auto aus der Stadt in den Lammerhof. Piano-Koch Ankauf-Verkauf, steht auf dem Auto. Ein Mann steigt aus, geht mit dem Sepp in den Schuppen, begutachtet den Flügel, klimpert darauf herum und verhandelt danach in der Küche lange mit dem Lammervater und dem Sepp. Dann fährt er wieder weg. Ein paar Tage später laden sechs kräftige Männer unter Anleitung vom Sepp den Flügel auf den von ihm gebauten Tiefladeranhänger. Dann spannt der Sepp die Rösser ein und fährt zum Hof hinaus. Er fährt, sagt die Lammermutter, das Ding halt in die Stadt zurück, wo es hingehört. Meine Mutter sitzt mit Tränen in den Augen auf der Bank und schaut dem Treiben zu. So lustig das schwarze Gebilde auf dem Tieflader aussieht, auch ich bin irgendwie traurig und habe kein gutes Gefühl.
Auf einem Traktor, den leeren Anhänger hintendran, kommt der Sepp zurück. Es ist der erste Traktor in Hausen. Das ganze Dorf steht um ihn herum und begutachtet ihn. Es ist ein grüner Frosch mit runden Augen. Am nächsten Sonntag steht er mit Girlanden und Blumen geschmückt im Hof. Der Hochwürden kommt mit Weihrauch und Weihwasser und weiht ihn, was den Veit wieder einmal in seiner Ablehnung der Kirche bestätigt, denn es ist doch ein Teufelszeug, sagt er, das man nicht braucht. Die breiten Reifen, sagt er, die fahren doch die Felder kaputt wie die Panzer der Amerikaner. Und an die hügeligen Äcker kommt man doch mit dem Ding gar nicht hin, da braucht man doch ein Pferd.
Wo sind denn die Rösser?, frage ich den Sepp. Beim Metzger in der Stadt drin, sagt er und lacht. Ich muss weinen. Ich habe sie geliebt, diese warmen, großen, friedlichen Tiere.
Ja, Gott, sagt mein Vater, das ist die neue Zeit, und der Sepp denkt eben modern, und das ist auch gut so, das kann er sehr gut verstehen, mein Vater, denn das ist der Fortschritt, dem sich die Dörfler leider allzu oft verweigern.
Ich will keine neue Zeit und keinen Fortschritt. Ich will die Rösser wiederhaben. Der Einweihung des Traktors folgt ein rauschendes Fest. Der Bürgermeister aus Hetzenbach hält eine Rede, in der er den Sepp lobt, der in die Zukunft schaut, die Blaskapelle spielt, es wird getanzt und getrunken, und nicht wenige tragen am späten Abend einen tüchtigen Rausch nach Hause. Und der Sepp ist sehr stolz.
Später, als wir schon einige Jahre in unserem Haus leben, bekommt meine Mutter ein
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