Auf Amerika
die!?
Versündige dich nicht!
Schmarrn!
Als schon wieder Soldaten in deutsche Kasernen einzogen, kamen aus Russland vom Kanzler Adenauer geholte Männer zurück. Traurige Gestalten waren es, krank, müde, kaum für ein Leben geeignet. Der Anton war nicht unter ihnen.
Die Anna ließ ihren Mann für tot schreiben und heiratete den Kammermeier-Schorsch, der einen kleinen Hof im Unterdorf hatte.
Jahre später, der Lammervater war ein paar Wochen vorher gestorben, stand eines Tages ein junger Mann vor der Lammermutter.
Es traf sie fast der Schlag, denn ihr war, als stünde der junge Anton vor ihr. Sie starrte ihn an, drehte sich um, rannte ins Haus und rief nach dem Sepp.
Der junge Mann kam aus Italien, hieß Antonio und erzählte, nachdem man ihn hereingebeten hatte, in gebrochenem, aber bairisch gefärbtem Deutsch folgende Geschichte:
1945, auf dem Rückmarsch, geriet die Truppe des Gefreiten Anton Pflügler in Norditalien, der Lombardei, in die Hände der Amerikaner. Alle Soldaten kamen in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Anton gelang es, zu türmen und sich zu einem kleinen Dorf durchzuschlagen. Dort versteckte man ihn, bis der Krieg zu Ende war. Er verliebte sich in Rosanna, die Tochter eines Weinbauern, bekam mit ihr einen Sohn, heiratete, blieb da, arbeitete als Weinbauer, vergrößerte seine Familie, lernte die Sprache, wurde ein Italiener. Erst kurz vor seinem Tod erzählte er seinem ältesten Sohn Antonio Details über seine Herkunft.
Ich bin dieser Sohn. Ich bin Antonio Pflugler.
Dann – dann ist der Anton tot?
Mein Vater ist vor drei Monaten gestorben.
Der Herr verzeihe ihm seine Sünden und sei ihm gnädig, sagte die Lammermutter und bekreuzigte sich. Wenige Monate danach, als hätte sie nur noch auf diese Nachricht gewartet, starb sie auch, folgte ihrem Mann, neben dem sie nicht einmal als Tote hatte liegen wollen, nach nur einem halben Jahr ins Grab.
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Ja, dürfen jetzt die Heidenkinder auch schon Kreuzerl tragen!?, sagt die Lammermutter entrüstet, als sie vom Küchenfenster aus sieht, wie ich, stolz wie ein Kommunionkind oder ein Firmling oder ein Hochzeiterer, hinter dem Baldachin des Herrn Hochwürden hergehe, nein, feierlich schreite, das Kreuz tragend, hoch und sichtbar es haltend, das Kreuz, das gar nicht so leicht ist, das Kreuz mit dem Kreuzangenagelten, dem Rückenschwimmer, wie mein Vater ihn immer respektlos nennt. Nicht, dass die Lammermutter mich nicht mag, nein, sie ist mir ja tatsächlich wie eine Mutter, mehr als meine leibliche Mutter das ist. Aber es muss doch im Reich des Herrn, des Allmächtigen, alles seine Ordnung haben, sagt sie. Soll dich doch dein Vater taufen lassen, wenn er selber schon ein Gottloser ist. Ich bettle meine Eltern, mich taufen zu lassen. Ich möchte genauso katholisch sein wie der Benno und die Rosa und alle anderen. Das kommt nicht in Frage, sagt mein Vater, das kannst du dann selbst entscheiden, wenn du erwachsen bist.
Wenigstens darf ich das Kreuz tragen. Das tue ich sehr stolz.
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Also, dass der Herr Hochwürden das zuließ, dass das Heidenkind das heilige Kreuz tragen durfte, das verstand die Lammermutter nicht. Das hätte es früher nicht gegeben, bei früheren Hochwürden, aber da hat es ja auch keine Heiden am Ort gegeben. Unsereiner, dachte sie, betet, hält sich an die Gebote, beichtet, wenn er verfehlt hat, hat die Kirchenzeitung, obwohl die, in vier Teile geschnitten und mit einem Loch und einer Schnur zu einem Block gebunden, im Abort nicht gerade ein gutes Scheißhauspapier hergibt. Zu glatt ist das Papier. Das Tagblatt ist viel besser dafür, obwohl man einen schwarzen Arsch davon bekommt. Unsereiner, dachte sie, führt ein christkatholisches Leben, und der Stellvertreter des Herrn, der Pfarrer, führt solche Neuerungen ein, wahrscheinlich nur, weil er heimlich mit dem Seiler schnapselt. Aber, mein Gott, was den Herrn Hochwürden betraf, dann steckte ja in dem der Teufel leibhaftig selber drin. Eine Geliebte soll er in der Stadt haben, sogar ein Kind mit ihr. Besser, dass man das nicht genau weiß, sonst müsste man ja glatt vom Glauben abfallen. Dieser Sündige im Gewand der Kirche wird seine Strafe schon bekommen, am Jüngsten Tag, im Fegefeuer, wenn nicht sogar in der Hölle selber. Das alles dachte die Lammermutter, und sie betete ein Vaterunser, wofür, für wen, warum genau, das wusste sie jetzt an und für sich nicht. Der Herr würde es sehen und hören und es ihr schon irgendwie als ein Guthaben auf dem ewigen Konto der
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