Auf Amerika
von der Berliner Großmutter bezahltes Klavier. Jetzt bringt sie Dorfkindern das Klavierspielen bei. Ich verweigere alle ihre Bemühungen in diese Richtung, was ich später gelegentlich bereue.
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Richtig ist es nicht, dass die Anna jetzt mit dem Kammermeier-Schorsch anbandelt, dachte die Lammermutter. Aber was wollte man machen gegen das, was halt das Fleisch einmal verlangte bei den jungen Leuten, wo sogar sie sich noch dran erinnern konnte, auch wenn das schon länger her ist und sie schon seit Jahren in der Stube schlief und nicht mehr beim Lammervater in der Schlafkammer drin. Seit sie ihn erwischt hat, wie er es im Stall hinten, auf einem Melkschemel stehend, bei einer Kuh getrieben hat, der Saukerl, der, seither konnte sie nicht mehr neben ihm liegen, und sie redete nur noch das Wichtigste mit ihm. Antworten auf Fragen, die er stellte, gab sie nicht mehr. Dass er in jungen Jahren, auch als sie schon die Kinder hatten, in den Dörfern rundum nichts ausgelassen hat, das war schlimm genug. Verflucht hat sie diese läufigen Schlampen, die alle bereit waren für ihn, wie Katzen, ja, wie läufige Katzen und er der Kater, wenn er nur eine von weitem gerochen hat, war er wie wild. Sogar Kinder hat er gemacht, Kuckuckskinder, wie viele, wusste keiner. Der Sauhund, der verreckte, den sie tausendmal schon zum Teufel gewünscht hat. Dass so einen der Herrgott nicht strafte. Den und alle die anderen, die auch, die zur Frieda gingen, die sollte doch der Herrgott strafen. Gab es denn keine Gerechtigkeit im Himmel? Sparte sich der Herr unser Gott alle seine Strafen für den Tag des jüngsten Gerichts auf? Sie wusste es nicht. Es war eh so eine Sache mit dem Verstehen von dem, was man glauben musste. Es war halt ein Kreuz, und man wusste ja nicht einmal, ob die ganzen gebeteten Rosenkränze und Gegrüßet-seist-du-Maria und die Vaterunser was halfen. Nein, man wusste es nicht, nichts wusste man, nur glauben sollte man, und man sah ja auch nichts, nur Elend und Söhne, die im Krieg den Tod fanden, das sah man und das ganze Gockeln der Männer und ihre Sauereien alle aufeinander. Es ist ein Kreuz, seufzte sie, und heimlich dachte sie, dass das alles vielleicht nur damit zu tun hatte, dass es alles Männer waren. Der Hochwürden, der Bischof, der Papst und Gott der Herr. Der Gedanke beruhigte sie, denn was sollte man von Männern schon mehr verlangen?
Der Kammermeier-Schorsch hatte ja schon immer ein Auge auf die Anna gehabt. Das hatte man im ganzen Dorf gewusst. Sie, die Anna, hatte sich aber für den Anton entschieden und ihn einen Tag, bevor er in den Krieg gegangen war, geheiratet. Für den Falschen hatte sie sich entschieden, dachte die Lammermutter, denn der Anton war vermisst, lebte vielleicht gar nicht mehr, und der Schorsch war gleich nach dem Krieg heimgekommen. Aber der Anstand hatte es verlangt, dass die Anna dem Werben des Heimgekehrten nicht nachgegeben hatte. Da hatte die Lammermutter schon aufgepasst. Aber jetzt, wo etliche Jahre vergangen waren und es hieß, dass da eh keiner mehr kommt aus Russland oder sonst woher, jetzt konnte man die Anna ja nicht einsperren, mein Gott. Heimlich ging es ja schon seit einiger Zeit zwischen der Anna und dem Schorsch. Aber was hieß denn schon heimlich da im Dorf? Was hieß das schon? Nichts hießt das. Heimlich war das, was jeder wusste, aber keiner sagte. Das war wie mit dem toten Ingenieur damals im Weizenfeld. Jeder wusste, wer ihn erschlagen hatte, aber keiner sagte es. Und vom Herbert, dem Juden im Heu, wußte man auch im Dorf. Aber man schwieg.
Immerhin wusste die Anna noch, was sich gehört, und hatte es nicht wie die Eisenrieder’sche Klara gemacht, die sich von einem Ami einen Bankert eingefangen hatte und nicht einmal den Schreibnamen von dem Ami kannte, der schon über alle Berge davon war, auf Amerika.
Wenn sie nur nicht schwanger wurde, die Anna, vom Schorsch, so lange nicht alles seine Ordnung hatte, dass man nicht die Schande auch noch hatte.
Es könnte ja alles seine Ordnung haben, sagte die Anna.
Ja, wie denn?
Man kann den Anton totschreiben lassen.
Nein.
Das tun andere auch.
Einen totschreiben, der vielleicht noch lebt?
Für mich ist er so viel wie tot.
Für mich nicht, und es gehört sich nicht.
Wenn du nur immer weißt, was sich gehört.
Der Anton lebt.
Wie willst du das denn wissen, wo wir nie keine Nachricht bekommen haben, wo er ist, ob er überhaupt lebt?
Die heilige Maria Mutter Gottes hat es mir gesagt.
Was weiß denn
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