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Auf Amerika

Auf Amerika

Titel: Auf Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Schroeder
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meinem Hammer leicht auf die Nagelspitze. Das war der Schreinertrick, den ich beim Holzer gelernt hatte, der Trick, der verhinderte, dass das Holz sich spaltete. Dann legte ich als Unterlage ein Brettchen unter die beiden zu verbindenden Latten, damit sie nicht mehr federn konnten, setzte den Nagel an und trieb ihn hinein.
    Ich sah und begriff, was jetzt in meinem Vater vorging. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er höhnisch gedacht: Mein Gott, er will den Nagel verkehrt herum hineinschlagen. Dann verstand er, dann staunte er, und ein kleines bewunderndes Lächeln, ein Anflug von Stolz und Anerkennung stand ihm im Gesicht. Doch das Bewusstsein um die Niederlage, das Nichtverlierenkönnen war stärker, zumal ich jetzt nachlegte. Ich erklärte, wie ich die Arbeit beginnen und weiterführen würde. Fahrig, als sei ihm gerade was ganz anderes, aber sehr Wichtiges eingefallen, hörte er zu und sagt dann: Na, wenn du eh Bescheid weißt, dann muss ich dir das ja nicht erklären, dann kannst du schon mal weitermachen. Ich telefoniere noch mal in den Laden rüber und bestelle noch Maschendraht. Das ist zu wenig, denn wir müssen das Gehege auch obendrüber zumachen, wegen der Habichte, weißt du.
    Ich weiß, sagte ich.
    Ich wusste, dass es hier kaum Habichte gab, dass sie, wenn überhaupt, dann nur Küken holten und dass niemand hier einen Hühnerstall oben zugemacht hatte. Er ging und kam nicht wieder.
    Spät in der Nacht, ich hatte bis zum Abend den Hühnerstall fertig, hatte wie besessen gearbeitet, hörte ich ihn betrunken die Treppe herauftorkeln. Am nächsten Morgen, als ich noch Feinarbeiten an meinem Hühnerstall vornahm, schlief er seinen Rausch aus. Am Nachmittag kam er aus dem Haus, jetzt wieder ganz Arbeitanschauer. Er zelebrierte seinen Auftritt. Langsam ging er um den Stall herum, machte das Tor auf und zu, machte sichtbar, ohne es zu kommentieren, dass der Riegel etwas streng ging, rüttelte an dem Stall, wie kein Wind je daran rütteln würde, überprüfte die Nägel, fand schließlich einen Nagel, den ich vergessen hatte, ganz reinzuschlagen, nahm den Hammer und schlug den Nagel den halben Zentimeter, den er noch herausstand, hinein, so, als sei dieser Nagel nun der wichtigste, quasi der Nagel des Goldenen Schnitts unseres Hühnerstalls gewesen, als hielte dieser Nagel alles zusammen, als habe diese Arbeit erst jetzt den Segen der Götter bekommen, beziehungsweise des Gottes, der er war. Dann schüttelte er den dadurch auf seine Hände geratenen imaginären Staub ab, auch von Hose und Jacke, nickte und gab seine Art Lob von sich: Tadellose Arbeit, das hätte ich selbst nicht besser machen können. Und er sagte etwas, worüber ich schon immer lachen musste: Ich sag ja immer, wenn du gut aufpasst, dann kannst du viel von mir lernen.
    Das tat meinem Triumph keinen Abbruch. Ich war stolz, und er war fortan vorsichtiger, so dass es mir danach nicht mehr so leicht gelang, ihm gegenüber aufzutrumpfen.

56
    Nach der Schule, ich gehe bereits in der Kreisstadt aufs Gymnasium, spiele ich oft mit stärkeren Gegnern Schach, lerne von ihnen, beteilige mich an Schulmeisterschaften und werde ein ganz guter Spieler. Nachdem wir sicher ein halbes Jahr nicht mehr gegeneinander gespielt haben, fordere ich eines Tages meinen Vater zu einer Partie Schach auf. Arglos lässt er sich darauf ein, und ich schlage ihn. Er hält das für Zufall und die Folge dessen, dass er lange nicht gespielt hat. Ich schlage ihn ein zweites Mal. Das ist die letzte Partie, die wir je zu Ende spielen, die dritte wirft er um, als er merkt, dass er wieder verlieren wird. Er sagt, dass er wahrlich Wichtigeres zu tun habe, als Schach zu spielen. Es tut mir später leid, dass ich ihn nicht habe gewinnen lassen. Es hat doch gereicht, dass er weiß, dass ich weiß, dass er einen Hammer nicht richtig in die Hand nehmen kann, um einen Nagel in ein Brett zu schlagen.
    Als ich ein paar Tage später dem Veit meinen Hühnerstall zeige, sagt er, dass das der schönste und beste Hühnerstall ist, den er je gesehen hat, und dass ich einmal ein Hühnerstallbauer werden könnte, wie er ein Sensendengler ist, wenn ich nur endlich das mit dem Gymnasium lassen würde. Schaff mit den Händen an, Bub, nicht mit dem Hirn.
    Ich freue mich, dass dem Veit mein Hühnerstall gefällt, und gehe weiter auf die Schule, meiner Mutter zuliebe.

57
    Der Stier vom Wirt geht auf die Kuh, und der Veit hilft ihm dabei. Der Saubär geht auf die Sau, der Hengst auf die Stute, der Gockel

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