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Auf Amerika

Auf Amerika

Titel: Auf Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Schroeder
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in ihrem Kopf jagten sich. Notar, Notar, Notar!, hämmerte es. Der Habenichts, der wird doch nicht eventuell erben?! Der Veit? Ja, von wem denn? Der hat doch keinen. Notar, das heißt doch erben. Der Veit ist ja vom Badischen daheim. Als Bub schon weggegangen. Vielleicht war dort einer gestorben, der dem Veit was vermacht hat. Man wusste ja nichts. Der hat ja nie was gesagt, wo er genau her ist, und nie hat es auch nur das kleinste Zeichen gegeben, dass irgendwer sich um den Veit gekümmert hätte, dass es da noch wen gegeben hätte, Verwandtschaft oder so was. Mein Gott, die vermaledeite Postlerin, die! Die hätte doch den Brief hergeben können. Den hätte man doch sorgfältig aufmachen können und wieder zukleben. Da hätte der Veit doch gar nichts gespannt davon. Aber dann wüsste man, wie man dran ist. Und wenn der Veit erbt, was macht der denn damit, wo er doch keinen hat? Dann – dann – sie traute sich kaum, den Gedanken fertig zu denken, der da in ihr aufkam. Sie verbot es sich sogar, den Gedanken zu denken, und während sie aber über die Metzgerei in den Hof ging zur Scheune hinüber, wo der Wirt gerade die Leiter zum Heuboden reparierte, dachte sie ihn doch: Dann würde man erben und könnte – und könnte, ja, da müsste man erst einmal wissen, wie viel der Veit erbt.
    Hochroten Kopfes stand sie vor dem Wirt. Der sah sofort, seine Frau kennend, dass etwas ganz Ungeheuerliches passiert sein musste.
    Wer ist denn gestorben?
    Der Veit hat einen Brief gekriegt.

69
    Ich erfahre es noch vor meinen Eltern. Nachdem das Postauto weggefahren ist und die Postlerin den Brief für den Veit und die Postkarte für die Frau Lehrer gefunden hat, ist sie sofort zur Kramerin hinübergegangen in den Laden, wo um die Zeit immer ein paar Frauen stehen und irgendeine Kleinigkeit kaufen, um die neuesten Nachrichten zu erfahren.
    Ich stehe vor den Frauen an der Theke, vor mir verführerisch die Glasbehälter mit den Bonbons, die Himbeerbonbons, die ich am liebsten mag. Brot muss ich kaufen, Salz, Mehl, zwei Bismarckheringe, die die Kramerin aus einem Faß holt, und für den Vater Zigaretten.
    Die Frauen schnattern, kichern, sind erstaunt und neugierig. Der Veit hat einen Brief gekriegt. Die Postlerin wedelt damit vor jeder Frau herum. Sie stecken die Köpfe zusammen, betrachten den Brief, riechen daran, als könnten sie dadurch etwas über seinen Inhalt erfahren. Und sie singen geradezu im Chor: Von einem Notar. Das Wort Notar wird von den Frauen einzeln halb andächtig wiederholt. Ich weiß nicht, was das ist, ein Notar, und ich traue mich nicht zu fragen.
    Als ich nach Hause komme, erzähle ich nichts. Ich will nicht, dass mein Vater wieder schlecht über den Veit redet und sich über ihn lustig macht. Irgendwann wird mein Vater es sowieso erfahren, das, was alle im Kramerladen so erstaunt hat: Der Veit hat einen Brief gekriegt. Von einem Notar.
    Vater, was ist ein Notar?
    Warum willst du das wissen?
    Nur so.
    Ein Halsabschneider ist das, ein Notar.

70
    Die Postlerin ging eilig den schmalen Weg zum Hausacker des Wirts hinauf. Unten sah sie die Wirtin am Schlachthaus vorbei über den Hof zur Scheune laufen. Der Veit mähte Gras. Lange ausholende Schnitte machte er. Auch beim Mähen war der Veit wie beim Sensedengeln in die Arbeit versunken. Ein Mann, sagt er immer, macht eine Sach, eine, nur eine Sach, und wenn die fertig ist, dann macht er eine andere Sach. Der Onkel Walter, der aus Millionen Streichhölzern Kriegsschiffe baute, sagte immer: Ein Mann geht einen Weg.
    Der Veit hielt inne, wetzte die Sense, sah die Postlerin, sah, dass ihr irgendeine Wichtigkeit im Gesicht stand.
    Veit, da ist ein Brief für dich.
    Zögernd reichte sie ihm den Brief, als wollte sie dieses ihr vertraut gewordene und doch ein Geheimnis enthaltende Beweisstück für etwas Ungeheuerliches und nie Dagewesenes gar nicht mehr hergeben, ahnend, dass es beim Veit in der Joppentasche und damit hinter einem Vorhang des Schweigens verschwinden würde, hinter dem sich auch die ganze Wahrheit über seine Herkunft verbarg.
    Vergelts Gott, Postlerin, sagte der Veit und steckte den Brief in seine Joppentasche.
    Da musst du unterschreiben.
    Er tat das und steckte das Wetzeisen wieder in den Köcher, den er am Hosengürtel trug.
    Magst ihn nicht aufmachen, Veit?
    Das hat Zeit.
    Er ist von einem Notar.
    So so, ja.
    Von einem Notar aus der Stadt.
    Ja ja.
    Es könnte doch eventuell was Wichtiges sein, wo es doch von einem Notar kommt.
    Sie schrie das ungewohnte

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