Auf Befehl des Koenigs
schluckte verlegen. »Du hast alles gehört?«
»Fast alles«, gab er zu. »Jetzt schaust du nicht mehr so unglücklich drein.«
»Dazu habe ich auch keinen Grund. Dein König ist ein sehr gütiger Mann.«
Verblüfft schnappte er nach Luft. »Du hast die ganze Zeit gewusst, wer er ist?«
»Glaubst du wirklich, ich wäre ihm mit meinen ganzen Problemen auf den Pelz gerückt, wenn ich es schon die ganze Zeit gewusst hätte?«, wisperte Jamie. »Nein, ich merkte es erst, als ich vor ihm kniete.« Er lachte, und sie ermahnte ihn. »Du darfst ihm nicht sagen, dass ich darauf gekommen bin.«
»Warum nicht?«
»Es würde seine Gefühle verletzen.«
»So?«
Sie nickte. »Er glaubt, meine zarten Gefühle zu schonen, und wir dürfen ihn nicht enttäuschen.«
Sie verneigte sich und verließ das Haus, ehe er über ihre lächerliche Bemerkung spotten konnte. Dann rief der König nach ihm und verlangte seine volle Aufmerksamkeit.
»Glauben Sie, ich würde Sie zum Kampf fordern, weil Sie mich zu dieser Heirat gezwungen haben, oder Ihnen danken?«
»Natürlich danken Sie mir. Und Henry wird uns beiden den Krieg erklären, wenn er merkt, welch ein Juwel er uns geschenkt hat.«
Beide lachten, und Alec meinte: »Lange werden wir nicht darauf warten müssen. In ein bis zwei Wochen wird meine Frau wahrscheinlich einen Krieg gegen England heraufbeschwören. Zeitweise dachte ich sogar, sie wäre Henrys Geheimwaffe.«
Schallendes Gelächter drang aus der Halle, und Jamie überlegte, was die beiden so erheitern mochte. Sicher der schändliche Witz von der toten Engländerin …
Nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, lehnte sich Jamie kraftlos dagegen. Ihre Wangen brannten vor Scham, als sie sich an ihr offenherziges Gespräch mit dem König erinnerte. Sie hatte ihm verraten, in England würde er als Ungeheuer gelten – und sogar vor seinen Augen geweint … Und er war so verständnisvoll gewesen. Tiefe Dankbarkeit erwärmte ihr Herz.
Gavin lief zu ihr. »Jamie, was machen Sie ganz allein hier draußen?«
»Warum wollen Sie das wissen? Darf ich nur mit Eskorte aus dem Haus gehen?«
»So ist es«, bestätigte er, ehe er sich eines Besseren besinnen konnte.
»Hat Alec diesen Befehl erteilt?«
Statt zu antworten, wechselte er das Thema. »Jamie, eine Ihrer Küchenmägde hat sich die Hand verbrannt. Würden Sie nach ihr sehen?«
Sofort vergaß sie ihre Frage. »Oh, die Ärmste! Führen Sie mich zu ihr, Gavin!«
Die nächsten beiden Stunden verbrachte sie bei der verletzten Frau. Die Verbrennung war nicht allzu schlimm, und Jamie genoss einen ausgedehnten Besuch bei der Familie ihrer Küchenmagd. Gavin wich ihr nicht von der Seite. Auf dem Rückweg zum Haupthaus verkündete sie: »Ich würde gern frische Blumen auf Helenas Grab legen. Würden Sie mich hinbegleiten?«
Er stimmte zu, und beim Stall trafen sie Marcus, der gerade sein Pferd sattelte. Gavin informierte ihn über Lady Kincaids Absichten, dann setzten sie ihren Weg fort.
Langsam stiegen sie den Hang hinauf, und Jamie pflückte die schönsten Blumen, die sie fand. Gavin geleitete sie am geweihten Friedhof vorbei, zu Helenas letzter Ruhestätte.
»Waren Sie hier, als Helena starb?«, fragte sie.
»Ja.«
»Wie ich höre, soll sie Selbstmord begangen haben. Vater Murdock sagte, sie sei von einer Klippe gesprungen.«
Gavin nickte und zeigte zu einer Felswand links von Helenas Grab. »Dort ist es geschehen.«
»Wurde sie dabei beobachtet?«
»Ja.«
»Wer hat sie gesehen? Vielleicht Sie …?«
»Jamie, müssen wir darüber reden?«
Sie kniete vor Helenas Grab nieder und entfernte die welken Blumen. »Ich versuche nur, das alles zu verstehen. Würden Sie es albern finden, wenn ich Ihnen einen geheimen Gedanken anvertraue? Ich glaube, Helena wünscht, dass ich es verstehe.«
»Ja, das würde ich vermutlich albern finden.« Gavin bemühte sich, möglichst unbefangen zu sprechen. »Da hat schon jemand Blumen auf das Grab gelegt«, fügte er hinzu, um wieder einmal ein anderes Thema anzuschneiden.
»Das habe ich getan – vorgestern.« Sorgfältig schmückte sie den mit Gras bewachsenen Hügel mit frischen Blüten.
»Warum glauben Sie, Helena würde es wünschen, dass Sie das alles verstehen?«
»Eines Tages wird Mary Kathleen fragen, wie ihre Mutter gestorben ist. Wie soll ich’s ihr erklären, wenn ich es selbst nicht weiß?«
Gavin ließ sich neben ihr auf ein Knie nieder und spielte geistesabwesend mit einer wilden Rose. »Was gibt es da zu
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