Auf Befehl des Koenigs
sich als ihr Vater.
Auch die Zwillinge und Mary waren hübsch, aber auf eher zurückhaltende Art. Ein Mann nahm ihre Schönheit erst wahr, wenn er ihnen öfter begegnete. Aber Jamie brauchte man nur ein einziges Mal anzusehen, und schon verschlug es einem die Sprache. Ihr Lächeln hatte einmal einen Ritter vom Pferd geworfen. Zumindest pflegte ihr Papa diese übertriebene Geschichte seinen Freunden zu erzählen.
Trotzdem gab es keine Eifersüchteleien zwischen den Mädchen. Instinktiv wandten sich Agnes, Alice und Mary an die kleine Schwester, um sich in dringenden Angelegenheiten beraten zu lassen. Und sie vertrauten genauso auf Jamies Klugheit wie der Papa. Seit dem Begräbnis ihrer Mutter galt sie als Hausherrin. Schon in früher Jugend hatte sie ihre Fähigkeiten beweisen müssen. Und der Baron, der zwar gern Befehle erteilte, aber nicht die Gabe besaß, seine Wünsche in allen Situationen durchzusetzen, übertrug ihr bereitwillig die Verantwortung.
Niemals enttäuschte sie ihn. Sie war ein vernünftiges Mädchen, das ihm niemals Kummer bereitete. Seit dem Tod ihrer Mama hatte sie kein einziges Mal geweint. Alice und Agnes würde es gut anstehen, sich die Disziplin ihrer jüngeren Schwester anzueignen, dachte der Baron oftmals. Wegen jeder Kleinigkeit brachen sie in Tränen aus. Nach seiner Meinung bewahrte sie allein ihr Aussehen vor einem völlig wertlosen Dasein. Aber er bemitleidete schon jetzt die Herren, die seine gefühlsseligen Töchter eines Tages am Hals haben würden.
Um seine Mary sorgte er sich am meisten. Er warf es ihr niemals vor, wusste jedoch, dass sie viel selbstsüchtiger war, als es sich für ein Mädchen schickte. Stets stellte sie ihre eigenen Bedürfnisse über die ihrer Schwestern – schlimmer noch, sogar über die ihres Papas.
Aye, Mary war ein Ärgernis, nicht zuletzt, weil sie immer wieder aus reiner Bosheit Unruhe stiftete. Der Baron hegte den Verdacht, dass Mary in ihren undamenhaften Ideen von Jamie bestärkt wurde. Doch das wagte er nicht auszusprechen, aus Angst, sein Argwohn wäre unbegründet und er würde bei seiner jüngsten Tochter in Ungnade fallen.
Obwohl Jamie sein Liebling war, erkannte er ihre Fehler. Ihr Temperament, das allerdings nur selten mit ihr durchging, konnte einen Waldbrand entfachen. Außerdem neigte sie zum Eigensinn. Von ihrer Mutter hatte sie eine besondere Begabung für die Heilkunst geerbt und nutzte sie bei jeder Gelegenheit, trotz seines ausdrücklichen Verbots. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass die Leibeigenen und Hausdiener ihre ärztlichen Kenntnisse ständig beanspruchten und sie von ihrer wichtigsten Pflicht ablenkten – nämlich, für die Bequemlichkeit ihres Vaters zu sorgen. Oft wurde sie mitten in der Nacht aus dem Bett geholt, weil sie eine Stichwunde flicken oder neues Leben ans Licht der Welt befördern musste. Diese nächtlichen Störungen ärgerten den Baron weniger, weil er um diese Zeit schlief und deshalb nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Umso unangenehmer fand er die Belästigungen, die tagsüber stattfanden – besonders wenn er auf sein Essen warten musste, weil Jamie gerade einen Kranken oder Verletzten betreute.
Bei diesem Gedanken seufzte er auf, jetzt voller Bedauern. Dann merkte er, dass das Geschrei der Zwillinge verstummt war. Offenbar hatte Jamie die Wogen bereits geglättet. Baron Jamison bedeutete seinem Diener, den Kelch nachzufüllen, dann lehnte er sich zurück und beobachtete das Wunder, das seine jüngste Tochter bewirkte.
Sobald sie den Raum betreten hatte, waren Agnes, Alice und Mary auf sie zugelaufen. Jede versuchte eine andere Version von der Geschichte zu erzählen. Sie verstand überhaupt nichts. »Kommt, setzen wir uns zu Papa an den Tisch«, schlug sie mit ihrer etwas rauen Stimme vor. »Dann werden wir das Problem gemeinsam lösen, wie eine vernünftige Familie«, fügte sie mit einem gewinnenden Lächeln hinzu.
»So einfach wird sich keine Lösung finden«, jammerte Alice und wischte sich die Augenwinkel aus.
»Diesmal ist Papa wirklich zu weit gegangen«, fauchte Agnes, die jüngere Zwillingsschwester. Sie zog einen der Schemel unter dem Tisch hervor, nahm Platz und starrte den Vater erbost an. »Alles ist seine Schuld, so wie immer.«
»Ich kann gewiss nichts dafür«, verteidigte sich der Baron, »also schau mich nicht so an, als wolltest du mich auffressen. Ich befolge nur den Befehl meines Königs, das ist alles.«
»Bitte, reg dich nicht auf, Papa«, mahnte Jamie, neigte sich
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