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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
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als ich eine Idee hatte. Konnte ich nicht einen der 13 anderen Beschuldigten zu einer Aussage bewegen? Sie hatten zwar alle die Aussage verweigert. Vielleicht konnte ich aber im Gegenzug etwas anbieten. Zum Beispiel eine Verfahrenseinstellung. Ich besprach mich mit Jens. Er meinte, dies sei grundsätzlich möglich. Wie das Gericht allerdings die Aussage eines »gekauften« Zeugen bewerten würde, lasse sich im Vorhinein kaum abschätzen. Damit hatte ich kein Problem, da die Beweislage sowieso schlecht war und nur besser werden konnte. Ich sollte am besten den Anwalt eines auswärtigen Beschuldigten kontaktieren. Das sei von Vorteil, meinte Jens, da er »nicht so dicht an dem ganzen Verfahren dran« sei. Beschuldigte würden sich oft miteinander absprechen, waren womöglich familiär verbunden oder bedrohten einander.
    Dankbar kehrte ich mit den Ratschlägen meines Gegenzeichners ins »Assessorenzimmer« zurück. Jens hatte bis vor Kurzem in einer Abteilung für organisierte Kriminalität gearbeitet. Sie haben dort verdeckte Ermittler, die sich langsam in Verbrecherbanden einschleusen, Fahrzeuge werden per GPS überwacht und Telefonanschlüsse abgehört. Schwierige Ermittlungen, bei denen es auf letzte Feinheiten ankommt. Jens kannte jede Ermittlungssituation, die in den Akten unserer »Buchstabenabteilung« auftauchte, in- und auswendig. Wahrscheinlich war er in Gedanken immer schon drei Züge weiter. Er bewegte sich mit der Leichtigkeit eines Florettfechters durch die Verfahren, während im Nachbarzimmer sich die Proberichter mit schweren Säbeln |69| übers Schlachtfeld schleppten und vor jedem Schlag keuchend nach Luft schnappten.
    Ich durchwühlte die neunbändige Ermittlungsakte und fand tatsächlich einen Beschuldigten, der nicht in Berlin wohnte. Ich rief seinen Verteidiger an und hatte Glück. Relativ schnell erhielt ich eine belastende Aussage gegen den Fahrschullehrer. Der Beschuldigte, dessen Verfahren ich daraufhin einstellte, gab an, sich mit Hamid D. in einem Café getroffen zu haben. Dort habe er ihm 1100   Euro sowie sein Personaldokument für die Prüfung überreicht. Wenig später habe er dann den praktischen Teil bei dem Fahrschullehrer absolviert. Seinen Führerschein habe er aber nicht erhalten, da die Führerscheinbehörde über das Ermittlungsverfahren informiert worden sei. Kurze Zeit später erhob ich Anklage gegen Hamid D. und beantragte als Nebenstrafe, also zusätzlich zur Geld- oder Freiheitsstrafe als Hauptstrafe, den Entzug der Fahrerlaubnis sowie drei Jahre Berufsverbot.
    Später erfuhr ich, dass diese Anklage erfolgreich war. Der »gekaufte« Zeuge hatte sich als Trumpfkarte erwiesen. Der Angeklagte agierte in der Hauptverhandlung erst mit einem, dann mit zwei und schließlich mit drei Verteidigern gleichzeitig. Sie versuchten natürlich Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Zeugen zu säen. So fragten sie, ob er nicht kurz vor der Hauptverhandlung noch Hamid D. kontaktiert habe. Das bejahte der Zeuge frei heraus. Er habe von dem Angeklagten sein Geld zurückverlangt und mit einer Aussage vor Gericht gedroht. Hamid D. habe es ihm aber nicht zurückgegeben, sondern erklärt, dass man ohnehin keine Beweise gegen ihn habe und ihn nicht überführen könne. Diese prompten Antworten des Zeugen fand das Gericht überzeugend und die Äußerungen des Angeklagten etwas |70| voreilig. Es verurteilte Hamid D. schließlich zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung mit der Auflage, einen Betrag von 10   000   Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Gleichzeitig wurde ein Berufsverbot von drei Jahren ausgesprochen.

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Wodka und seine Wirkungen
    S inan H. freute sich schon auf das Essen mit seinen Freunden. Es war immer wieder nett, mit seinen algerischen Landsleuten zusammenzutreffen. Sehr familiär war das und ein bisschen wie in der Heimat. Er hatte versprochen, eine Flasche Wodka mitzubringen, und ging in einen kleinen Einkaufsmarkt an der Straßenecke. In Leipzig fühlte er sich recht wohl.
    Anfangs hatte er sein Geld auf dem Bau verdient, das war jedoch ziemlich anstrengend. Dann fand er eine Stelle als Kellner in dem Restaurant eines Landsmannes. Alles schwarz natürlich, da er ja keine Arbeitserlaubnis hatte. Sollte man ihn erwischen, musste er mit der erneuten Abschiebung nach Algerien rechnen. Aufpassen war also angesagt. Im Lokal hatte er stets gültige Papiere eines anderen Kellners bei sich, der dort nur wenige Stunden in der Woche aushalf. Für die übrige Zeit

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