Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt
Qualifikation finden würden.
Ein paar Tage später bekam ich dann Besuch. Der in der Grunewaldstraße praktizierende Rechtsanwalt Schmitz erschien in meinem Zimmer und war völlig aufgebracht. Bei ihm hatten sich schon mehrere verärgerte Mandanten des vermeintlichen Rechtsanwalts aus der Karl-Marx-Allee gemeldet. Auch gab es zahlreiche Beschwerden über Telefon und Internet. Es kostete ihn erhebliche Mühe, die Verwechslung aufzuklären. Er befürchtete nun eine Rufschädigung seiner Kanzlei durch diese Negativwerbung unter seinem Namen.
Vier Wochen später kam die Ermittlungsakte von der Polizei zurück, beigefügt waren mehrere Pappkartons. Die Durchsuchung war erfolgreich durchgeführt worden. Bei der Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen hatte sich gezeigt, dass es höchste Zeit für ein Eingreifen gewesen war. Aus »Rechtsanwalt Peter Schmitz« war mittlerweile die »Rechtsanwaltskanzlei Schmitz & Kollegen« geworden. Inzwischen vertrat er bereits über zwanzig Mandanten in laufenden Gerichtsverfahren. Gegenüber den Polizeibeamten |133| agierte »Rechtsanwalt« Peter Schmitz relativ routiniert. Er protestierte sofort gegen die Beschlagnahme der Mandantenakten und verwies auf wichtige Gerichtstermine und Fristen. Auf die Frage, ob und wo er denn seine juristischen Staatsexamen gemacht habe, antwortete er prompt. Er habe beide Examen in Berlin abgelegt und sei jeweils mit den Abschlüssen »gut« unter den »Besten seines Jahrgangs« gewesen. Worauf der Polizeibeamte anmerkte, dass die »Kanzlei« in der einfach eingerichteten Wohnung nicht gerade nach der »Speerspitze der Juristerei« aussehe. Rasch beschied ihn »Rechtsanwalt« Schmitz: Alles sei etwas provisorisch, da er sich noch nicht entschieden habe, ob er sich dauerhaft in Berlin oder Dessau niederlassen wolle. Examenszeugnisse konnte er (merkwürdigerweise) nicht vorlegen. Er zeigte aber einen Seminarschein über »öffentliches Recht für Soziologiestudenten« vor, der seine Leistungen mit »gut« bewertete. Die Polizeibeamten sammelten alles ein und verließen unter dem Protest von »Rechtsanwalt« Schmitz die »Kanzleiräume«.
Zur Sicherheit rief ich beim Justizprüfungsamt Berlin an, wo die juristischen Staatsexamen abgenommen werden. Ein Mitarbeiter begab sich tief in den Keller, wo die Prüfungsunterlagen aller Juristen aufbewahrt werden, die jemals in Berlin ihr Staatsexamen abgelegt haben. Die Auskunft beendete die juristische Karriere des »Rechtsanwalts« Peter Schmitz aus der Karl-Marx-Allee endgültig. Der Mitarbeiter war bis in die sechziger Jahre zurückgegangen. Es gab nur einen in Berlin examinierten Juristen mit dem Namen Peter Schmitz, und der hatte seine Kanzlei in der Grunewaldstraße.
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Kriminaloberkommissar Konrad erhält Post
K riminaloberkommissar Konrad sah die Post auf seinem Schreibtisch durch. Ganz unten lag ein gerichtliches Ladungsschreiben für die Große Strafkammer des Landgerichts Berlin. Konrad öffnete den Brief und las: »In der Strafsache gegen Sinan H.« Anhand des staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichens und seiner Unterlagen konnte er die Ladung einem Ermittlungsverfahren zuordnen. Erika und Werner L. hießen die Geschädigten. Er kniff die Augen zusammen und dachte einen Moment nach. Bei den vielen Raubtaten konnte man schnell einen Vorgang aus den Augen verlieren, vor allem, wenn man ihn ein oder zwei Jahre nicht auf dem Tisch gehabt hatte. Richtig! Der Raubüberfall auf den kleinen Laden in der Nähe des S-Bahnhofs Warschauer Straße. Er hatte eine zweite Überprüfung auf DN A-Spuren bewilligt bekommen und dabei hatte es einen Treffer gegeben. Nach dem Täter war gefahndet worden. Offensichtlich erfolgreich! Konrad musste ein wenig schmunzeln. Seine Arbeit war oft frustrierend. Er musste gegen alle möglichen Widrigkeiten kämpfen. Aber wenn er dann einen Beschuldigten überführen konnte, er am Haken zappelte, war all das vergessen. Er ging den Fall noch einmal in Gedanken durch. Gemessen daran, womit sich das Raubdezernat sonst befasste, war der Überfall auf den Tante-Emma-Laden eher eine kleine Angelegenheit.
|135| Trotzdem, die Tat war hässlich, gemein und stank zum Himmel. Dafür, dass er in solchen dreckigen Fällen für etwas Gerechtigkeit sorgen konnte, liebte er seinen Job.
Aber noch war die Angelegenheit nicht erledigt. Entscheidend war schließlich, ob auch das Gericht zu einer Verurteilung kommen würde. An ihm sollte es nicht liegen. Auf seine Termine als Zeuge bereitete er
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