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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
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sich immer eingehend vor und versuchte möglichst auf alle Eventualitäten gefasst zu sein. Vor Gericht konnte man nie wissen. Sein Chef sagte dazu immer, dass Kühe manchmal auch direkt vor der Apotheke sterben würden.
    Ähnlich skeptisch war auch sein Kollege in Chemnitz, den er am nächsten Tag anrief, um sich über den Ausgang des dortigen Verfahrens zu erkundigen. Konrad musste zugeben, dass auch er, bei all seiner Berufserfahrung, den Freispruch angesichts der Beweislage – und nach dem Fluchtversuch – nur schwer verkraftet hätte. Leider ließ der Chemnitzer Freispruch für den Prozess in Berlin nichts Gutes erwarten. Innerlich stellte sich Konrad auf alles ein. Aber konnte Sinan H. zweimal solches Glück haben? Letztlich ging es Kommissar Konrad nicht nur um eine Verurteilung. Er hoffte, dass Sinan H. die Tat gestehen und auch seine Mittäter benennen würde. Dies allein würde sicherlich nicht für deren Verurteilung reichen. Aber eine DN A-Probe konnte dann Sicherheit verschaffen. Sie hatten bestimmt noch weitere Taten begangen, und Konrad hatte eine ganze Menge offener DN A-Spuren von unbekannten Tätern.
    In sechs Wochen sollte die Hauptverhandlung gegen Sinan H. beginnen. Zeuge Kriminalkommissar Konrad würde bereit sein.

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Gerlinde kämpft an allen Fronten
    D ie Vertretung des Dezernats von Gerlinde wurde langsam auch ein psychisches Problem. Das lag nicht unbedingt am Umfang der zusätzlichen Akten, die Mona und ich zu bearbeiten hatten. Schwieriger war es schon, häppchenweise über immer weitere Wochen der Vertretung ihres Dezernats informiert zu werden. Wirklich anstrengend war es aber, den Ansprüchen von Gerlinde selbst zu genügen. Sie schaffte es nicht, sich einfach nur auf ihre Schleuserverfahren zu konzentrieren. Ständig musste sie kontrollieren, wie wir ihre Ermittlungsverfahren bearbeiteten. Gerlinde war wie eine Glucke und wir die Eindringlinge, die ihr die Küken, ihre Ermittlungsverfahren, weggenommen hatten. Häufig hielt sie Mona oder mir einen Vortrag, dass in einem bestimmten Verfahren nicht so, sondern anders vorgegangen werden müsse. Letztlich führte dies dazu, dass sich Gerlinde den halben Tag doch wieder mit ihren Ermittlungsakten befasste und mit den Schleuserverfahren nicht vorankam. Dadurch verlängerte sich natürlich wieder die Zeit der Vertretung. Eine Situation, mit der keiner von uns dreien glücklich war und die einer endlosen Spirale glich.
     
    Eines der von mir übernommenen Ermittlungsverfahren überwachte Gerlinde besonders genau. Es ging um einen Häftling in Berlin-Grünau. Er war in Abschiebegewahrsam |137| und sollte demnächst in seine Heimat, nach Afrika, ausgeflogen werden. Bereits seit zwei Tagen befand er sich im Hungerstreik, als er an einem Samstagabend dem Wärter gesundheitliche Probleme meldete. Er klagte über Schmerzen im Brustbereich. Dieser informierte den zuständigen Kollegen Christian W. vom Haftpersonal, der einen medizinischen Ausbildungsberuf erlernt hatte, jedoch kein Arzt war. Das EK G-Gerät war gerade defekt, es gab jedoch einen Defibrillator. Dieser sogenannte Schockgeber wird bei gefährlichem Flimmern der Herzkammern zur Wiederbelebung (bzw. um wieder einen normalen Puls zu erzeugen) eingesetzt. Das Gerät verfügte aber auch über einzelne Funktionen eines EKG.   Damit führte der Mitarbeiter Messungen der elektrischen Impulse am Herzmuskel des Häftlings durch, die unauffällig blieben. Er schickte ihn mit der Bemerkung, ihm fehle nichts, zurück in die Zelle. Zwei Stunden später alarmierten ihn Mithäftlinge erneut, da der Afrikaner kaum ansprechbar war. Christian W. entschied sich nun, den Mann in die Notaufnahme eines Krankenhauses zu bringen. Der behandelnde Oberarzt war ziemlich wütend, dass er nicht früher eingeliefert worden war. Nur durch eine schwierige Notoperation konnte sein Leben gerettet werden. Ein Defibrillator sei nicht geeignet, akute Herzerkrankungen sicher auszuschließen.
    Die Presse erfuhr von dem Fall, und es standen kleinere Artikel in den Berliner Zeitungen. Es gab Anfragen der Presse an die Berliner Staatsanwaltschaft, sodass sich deren Pressesprecher schon in unserer Abteilung nach dem Fall erkundigt hatte. Generell ist das Prozedere des Abschiebegewahrsams von politischer Brisanz. Häufig ist von einem angeblich zu harten und unmenschlichen Umgang mit den |138| illegalen Einwanderern und abgelehnten Asylbewerbern die Rede. Andererseits ist allen bewusst, dass der Vollzug der Abschiebung

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