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Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt

Titel: Auf Bewährung - mein Jahr als Staatsanwalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pragst
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Finanzämtern Angaben zu Zinseinkünften gemacht. Auf Nachfrage ergab sich, dass die Beschuldigten dort sehr hohe Einlagen hatten. In Berlin waren es mehr als hundert Beschuldigte, die seit Jahren von staatlicher Hilfe lebten und im Ausland Einlagen in Höhe eines sechsstelligen Eurobetrages hatten. Dieses Vermögen hatten sie gegenüber den zuständigen Stellen in Deutschland nie angegeben.
     
    |130| Anfang Juni ging Oberstaatsanwalt Berndt für drei Wochen in Urlaub und Jens, als Gruppenleiter, übernahm für den Zeitraum seiner Abwesenheit die Aufgaben des Abteilungsleiters. In dieser Zeit erfolgte die Verteilung der Akten nicht nach dem Zufallsprinzip. Jens ließ sich alle Neueingänge vorlegen, schaute sie kurz durch und überlegte sich, welcher Staatsanwalt sie erhalten sollte. Einmal rief er Maja und mich in sein Zimmer. Auf seinem Schreibtisch hatte er fein säuberlich zwei neue Ermittlungsvorgänge aufgebahrt. Wir sollten selbst entscheiden, wer welches Verfahren bekommen würde. Über den Inhalt verriet er uns nichts. Beide Ermittlungsverfahren sahen äußerlich nach einer Menge Arbeit (und damit nicht besonders einladend) aus. Der eine Stapel bestand bereits aus drei Akten, die durch einen Aktengurt zusammengehalten wurden. Es war also schon ein kleines Gürteltier. Waren weitere Ermittlungen notwendig, konnten aus den drei Aktenbänden auch schnell fünf oder sieben werden. Das zweite Verfahren umfasste zwar nur einen Aktenband. Jedoch gehörte ein geheimnisvoller Pappkarton mit unbekanntem Inhalt und ein Gegenstand dazu, der in einer blauen Plastiktüte steckte. Auch da ließ sich natürlich spekulieren, ob sich umfangreiche und noch auszuwertende Unterlagen in dem Karton befanden oder ob die Polizei vielleicht bald den nächsten Karton für dieses Ermittlungsverfahren vorbeibringen würde.
    Jens ließ natürlich Maja den Vortritt. Wir mussten alle ein bisschen lachen. Es war wie bei einem Fernsehquiz, wo der Moderator fragt: »Wollen Sie lieber Tor A oder den braunen Umschlag und 200   Euro?«, und der Kandidat hilflos abwechselnd auf den braunen Umschlag und den Vorhang vor Tor A schaut. Schließlich entschied sich Maja für die |131| Akte mit dem Pappkarton. Es war ein Verfahren wegen versuchten Versicherungsbetruges (durch einen vorgetäuschten Einbruchsdiebstahl).
    Mein Verfahren richtete sich gegen »Rechtsanwalt« Peter Schmitz. Der Tatvorwurf bestand im Wesentlichen in Betrug und Missbrauch einer Berufsbezeichnung. Alles lief auf die entscheidende Frage hinaus: War Peter Schmitz wirklich Rechtsanwalt? Er »residierte« in der Karl-Marx-Allee 22 und hatte bereits mehrere Mandanten, unter anderem auch in familienrechtlichen Verfahren, vertreten. Er flog auf, als er gegen ein amtsgerichtliches Urteil per Fax beim Amtsgericht am letzten Tag der Frist Berufung einlegte. Die dortige Richterin dachte, dass ein Anwalt eigentlich wissen müsse, dass es für die Wahrung der Berufungsfrist auf den Eingang der Berufung beim Berufungsgericht (in dem Fall dem Kammergericht Berlin) ankommt. Sie hielt Schmitz für einen Berufsanfänger und wollte ihn anrufen. Dabei musste sie feststellen, dass sein Briefkopf weder Telefon- noch Faxnummer enthielt. Verwundert rief sie bei der Rechtsanwaltskammer Berlin an, um die Nummer zu erfragen. Dort teilte man ihr mit, dass es nur einen Rechtsanwalt Peter Schmitz in Berlin gebe, dessen Kanzlei jedoch in der Grunewaldstraße liege. Es stellte sich heraus, dass dieser Peter Schmitz mit dem Verfahren nichts zu tun hatte.
    Mittlerweile hatten sich bereits mehrere Mandanten des »Rechtsanwalts« Peter Schmitz aus der Karl-Marx-Allee 22 bei der Polizei gemeldet. In allen Fällen war die Vertretung durch den »Rechtsanwalt« eher unglücklich verlaufen. Mehrmals hatten die Mandanten vor Gericht mitbekommen, wie ein Richter oder der Rechtsanwalt der Gegenseite verwundert nachgefragt hatte, wo denn der Kollege sein |132| Examen gemacht habe, wenn er »eigentlich gar nichts« wisse. Auch die Honorarvereinbarungen von »Rechtsanwalt« Schmitz wirkten verdächtig. So agierte er beispielsweise in einem Fall für 20   Euro oder »einen Pott Kaffee und einen Zehner«.
    Ich beriet mich mit Jens über das weitere Vorgehen. Er meinte, dass man jetzt bei der »Kanzlei Rechtsanwalt Schmitz« eine Durchsuchung durchführen müsse, um festzustellen, ob die Räume überhaupt als Kanzlei eingerichtet seien, in welchen Fällen er noch tätig sei und ob sich Unterlagen zu seiner beruflichen

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