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Auf Bewährung

Auf Bewährung

Titel: Auf Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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mit dem Essen. Das war das einzige Mal, dass ich Kirchenglocken gehört habe.«
    Roy legte den Stift auf den Tisch und starrte sein Gegenüber hilflos an. Offenbar verlor der Captain nun auch noch den letzten Kontakt zur Realität. »Kirchenglocken?«
    »Jep. Warum mussten sie den Kühlschrank überhaupt abschließen?«
    »Was denn für einen Kühlschrank?«
    »Den, wo ich war. Die Toilette haben sie nicht abgeschlossen. Und da war nie viel drin, wofür sich das Abschließen gelohnt hätte.«
    »Abschließen? Wie?«
    Der Captain machte eine Kreisbewegung mit der Hand. »Mit einer großen alten Kette.«
    Kurz sah Roy Mace mit einer »großen alten Kette« vor seinem geistigen Auge, die sie sich in der Nacht zuvor im vierten Stock als Waffe geschnappt hatte, als diese Fremden hinter ihnen her gewesen waren.
    »Haben sie die Kette um den Kühlschrank gelegt, um ihn so abzuschließen?«
    »Warum sonst? Und sie hatten ein großes altes Vorhängeschloss. Ich habe versucht, es mit meinem Messer zu knacken, aber das ging nicht. Ich wette, da war Pepsi drin. Ich mag Pepsi lieber als Coke.«
    »War die Kette schon da, als du in den vierten Stock gekommen bist?«
    Der Captain dachte darüber nach. »Ich weiß nicht. Ich glaube, ich bin eingeschlafen. Aber sie war auf jeden Fall da, als ich aufgewacht bin.«
    »Nun, das ergibt Sinn, Lou, wenn sie geglaubt haben, dass jemand Essen aus dem Kühlschrank stiehlt. Dann haben sie ihn einfach nach Feierabend abgeschlossen.«
    »Oh ... klar ... daran hab ich gar nicht gedacht. Du bist klug, Roy. Ich bin froh, dass du mein Anwalt bist.«
    »Okay, was war das von wegen der Kirchenglocken?«
    »Ja, ich hatte nichts mehr zu essen. Also bin ich Essen suchen gegangen.«
    »Kirchenglocken? Meinst du damit, dass du am Sonntag gegangen bist?«
    »Bist du sicher, dass du mir nichts zu rauchen besorgen kannst?«
    »Ich bin sicher. Du hast von Kirchenglocken gesprochen.«
    Mit leerem Gesichtsausdruck sagte der Captain: »Sonntags ist doch immer noch Kirche, oder haben sie sich inzwischen einen anderen Tag ausgesucht?«
    »Nein, Kirche ist immer noch sonntags.« Roy dachte rasch nach. Es gab mehrere Kirchen, deren Glocken in dem Gebäude zu hören waren. Er hatte ihr Läuten selbst gehört, wenn er am Wochenende gearbeitet hatte. »Dann bist du also nicht das ganze Wochenende über im Gebäude geblieben. Du bist Sonntag gegangen, stimmt’s?«
    »Nun ja, habe ich dir das nicht schon gesagt?«
    »Nein, das hast du nicht!«, schnappte Roy. »Bis jetzt hast du immer gesagt, dass du erst am Montagmorgen gegangen bist.« Er atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen, und rief sich ins Gedächtnis zurück, dass sein Mandant zwar fast sechzig war, aber nur über die geistigen Fähigkeiten eines Kleinkinds verfügte. In ruhigem Ton sagte er: »Wir gehen die Chronologie nun schon seit einer Stunde durch, Lou, und du hast das bis jetzt nicht einmal erwähnt.«
    Der Captain hielt Roys Armbanduhr in die Höhe. »Das liegt daran, weil das nicht meine Uhr ist, Roy. Mit deiner kann ich die Zeit nicht sagen.«
    Unter anderen Umständen hätte Roy laut gelacht. »Okay, aber nachdem du gegangen bist ... bist du dann noch mal zurückgekommen?«
    »Nein, Sir. Warum auch? War ja kein Essen mehr da. Also habe ich mir was besorgt.«
    »Hast du es gekauft oder gefunden?«
    »Ich habe zweihundert Dollar. Ich habe es gekauft.«
    »Wo?«
    »In einem kleinen Lebensmittelladen. Er gehört einem Mann, gegen den ich in Vietnam gekämpft habe. Aber jetzt mag er mich. Er vertreibt mich nie wie andere Leute.«
    Plötzlich hatte Roy eine Idee. »Meinst du den kleinen Laden neben Starbucks an der Wisconsin?« Er selbst hatte dort auch schon eingekauft und den Besitzer kennengelernt.
    »Ja. Stimmt. Starbucks? Ich könnte jetzt wirklich einen Becher Java brauchen.«
    »Und wann genau war das am Sonntag?«
    »Da stehen Bananen und Äpfel neben der Tür, genau wie damals, als ich noch ein Kind war. Ich habe mir welche gekauft. Der Mann mag mich jetzt, aber in Vietnam haben wir versucht, uns gegenseitig umzubringen. Ich erinnere mich noch gut an ihn. Er hat auf mich geschossen und ich auf ihn. Er heißt Yum-Yum oder so.«
    Roy wusste, dass der Captain nicht gegen Yum-Yum gekämpft hatte, der in Wirklichkeit Kim Sung hieß. Und Kim Sung stammte nicht aus Vietnam, sondern aus Südkorea, und er war erst Anfang vierzig. Aber das war auch egal. Selbst wenn der Mann bestätigen konnte, dass der Captain am Sonntag außerhalb des Gebäudes

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