Auf Bewährung
gewesen war, hätte er später wieder in den vierten Stock zurückschleichen und Diane Montagmorgen angreifen können. Doch das war wenigstens etwas. »Hast du noch immer die Kirchenglocken gehört, als du die Bananen gekauft hast?«
»Oh ja.«
»Und die Sonne stand schon hoch am Himmel?«
»Jep.«
»Okay, was ist mit Sonntagnacht und Montagmorgen?«
Der Captain schaute ihn besorgt an. »Was soll damit sein? Die sind doch gekommen, oder?«
Roy rieb sich die Schläfen. Allmählich bekam er Kopfschmerzen. »Jaja, die sind gekommen. Und zwar ganz pünktlich. Aber verstehst du? Wenn wir Leute finden, die dich Sonntagnacht oder Montagmorgen gesehen haben, dann können wir der Polizei sagen, dass du Diane nicht ... dass du Sonntag oder Montag kein Essen mehr gestohlen hast.«
Endlich erschien ein Licht in den smaragdgrünen Augen des Captains. »Oh ... ja ... das ist die Wahrheit. Das habe ich nicht. Kein Essen mehr. Da drin war eh alles alt. Das hätte noch nicht einmal mit Pepsi geschmeckt.«
»Okay, ich werde mal mit Kim sprechen – ich meine mit Yum-Yum – und ihn um eine Aussage bitten. Hast du sonst noch jemanden gesehen?«
»Nö. Ich bin einfach nur zum Fluss runtergegangen und in das Abflussrohr gekrochen. Da habe ich dann geschlafen.«
»Und du hast niemanden gesehen? Jemanden in einem Boot vielleicht? Einen Sportruderer früh am Morgen? Oder womöglich hast du ja jemanden gesehen, als du wieder aus dem Rohr gekrochen bist.«
»Darüber muss ich erst einmal nachdenken, Roy. Und ich bin müde.«
Der Captain legte den Kopf auf den Tisch und war binnen einer Minute eingeschlafen.
Roy betrachtete ihn und dachte darüber nach, wie leicht es wäre, einfach aufzustehen und zu gehen. Dann könnte er wieder in seinen gemütlichen Job in Georgetown zurück und eine Mörderkohle verdienen. Er brauchte diesen Ärger nicht. Er hatte es nicht nötig, sich ständig gegen die Anfeindungen seiner Kollegen zur Wehr setzen zu müssen, nur weil er die hoffnungslose Verteidigung eines gemeingefährlichen Obdachlosen übernommen hatte. Es war wie Ackerman gesagt hatte: Wollte er sein goldenes Nest wirklich hierfür aufgeben?
Aber Roy stand nicht auf. Er starrte einfach weiter auf einen Mann, der viel von seinem Blut vergossen hatte, nur damit andere Amerikaner fett und glücklich werden konnten. Mit müder, aber klarer Stimme sagte Roy: »Ich werde mein Bestes für dich tun, Captain. Und auch wenn wir nicht gewinnen, wir werden kämpfend untergehen.«
Der Captain grunzte und setzte sich dann auf. Er sah benommen aus. »Ist die Süße weg?«
»Die Süße? Oh ... ja, sie ist noch immer weg.«
»Die zweihundert Dollar, Roy.«
»Captain, du musst mich nicht bezahlen. Ich mache das pro bono ... Das heißt, ich mache es umsonst.«
»Wie ich sie bekommen habe.« Der Captain schaute verlegen drein. »Ich habe in einen Becher gepinkelt.«
»Wie bitte?«
Der Captain starrte auf den Tisch und wiederholte mit leiser Stimme: »Ich habe in einen Becher gepinkelt.«
Roy beugte sich vor. Er war noch immer verwirrt. »Jemand hat dir zweihundert Dollar dafür bezahlt, dass du in einen Becher pinkelst?«
»Nicht pinkeln ... die andere Sache.« Jetzt sah Roy deutlich, dass der Mann knallrot wurde.
»Die andere Sache?«, hakte er nach.
»Sie haben mir ein Heft gegeben, das ich mir anschauen sollte. Das konnte ich doch nicht vor der Süßen sagen.«
»Ein Heft?«
»Ein Heft mit Mädchen drin. Nicht pinkeln. Du weißt schon. Die andere Sache.«
»Meinst du ...?«
Der Captain warf Roy einen wissenden Blick zu. »Zweihundert Dollar dafür, dass ich mir ein Heft mit Mädchen drin ansehe.«
Roy packte den Captain am Arm. »Wo hast du das gemacht?«
»In Georgetown. Nicht weit weg.«
»War das in einer Samenbank oder so?«
Der Captain schaute ihn nur verständnislos an.
»Vergiss es. Kannst du dich noch daran erinnern, wann du das getan hast?«
»Es war Tag.«
»Okay. Kannst du dich noch an den genauen Ort erinnern.«
»Äh ... er war weiß.«
»Kannst du die Person beschreiben, die dich gebeten hat, in den Becher zu ... äh ... pinkeln?«
»Das war so ein Kerl.«
»Egal. Ich werde das schon herausfinden.« Roy schnappte sich seine Aktentasche und rannte aus dem Raum.
Kapitel 81
M ace verließ das Herrenhaus und ging zum Gästehaus. Alisha und Tyler saßen im Esszimmer und aßen eine Mahlzeit, die Herbert ihnen zubereitet hatte. Mace setzte sich neben Tyler, der sich abwechselnd Kartoffelbrei in den Mund schaufelte und
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