Auf Bewährung
Was zum Teufel hat das denn mit uns zu tun?«
»Das kann ich dir erklären.«
Darren sah aus, als wollte er wieder losbrüllen, doch dann setzte er sich nur. »Na, dann mal los. Erklär es mir.«
Mace verbrachte die nächsten dreißig Minuten damit. Zuerst erklärte sie die Grundlagen, dann baute sie darauf auf. »Laut der Theorie des Professors verlangt das Überleben auf den Straßen nahezu jeder großen Stadt außergewöhnliche Intelligenz, Nerven, Mut, Risikobereitschaft und eine hohe Anpassungsfähigkeit. Die meisten Menschen wiederum benötigen familiäre Unterstützung, ein Bett, ein Dach über den Kopf, etwas zu essen und ein wenig Freizeit, um vernünftig zu funktionieren.«
Darren schaute sie leicht verärgert an. »So schlimm ist es hier auch nicht. Man tut einfach, was man tun muss. Und wir haben ein Dach über dem Kopf. Wir haben zu essen, und Alisha hat jetzt auch eine Familie. Wenn jemand durch diese Tür will, dann muss er erst an mir vorbei.«
»Aber das ist kein normales Leben, Darren«, erwiderte Mace. »Du kannst dein volles Potenzial nicht entfalten, wenn du immer Angst haben musst, plötzlich obdachlos zu werden, nichts mehr zu essen zu haben, oder wenn du nur darauf wartest, dass dir jemand eine Kugel in den Schädel jagt.«
»Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
Mace drehte sich zu Alisha um. »Die Sozialarbeiter haben dich aus ihren Akten ausgesucht.«
»Warum mich?«
»Du hast es geschafft, ein behindertes Kind großzuziehen und gleichzeitig von den Drogen loszukommen, und das, nachdem du beide Eltern verloren hast. Im Augenblick hast du vier Teilzeitjobs, und nur mit Hartnäckigkeit und einer gehörigen Portion Raffinesse gelingt es dir immer wieder, Tylers grundlegende Bedürfnisse zu erfüllen. Und all das hast du geschafft, obwohl du gerade erst deinen sechzehnten Geburtstag gefeiert hast. Also ich würde das schon ›besonders‹ nennen.« Mace schaute sich in der winzigen Wohnung um. »Und du hast diese Wohnung mit einem gefälschten Ausweis bekommen, auf dem du schon achtzehn bist. Nur so konntest du den Mietvertrag rechtsverbindlich unterzeichnen.«
Alisha riss verängstigt die Augen auf. »Ich musste. Nachdem meine Oma getötet worden ist, sind Leute gekommen und haben uns aus Omas Wohnung geworfen. Danach haben wir in einer Gasse an der Bladensburg Road in einem Karton gelebt. Das ist kein Ort für ein Kind. Und Darren war nicht da.«
Darren nahm ihre Hand. »Aber jetzt bin ich ja wieder zurück, Schwesterchen. Ich werde mich um dich und Ty kümmern.«
Mace schaute zu Darren. Sie wusste wirklich nicht, was sie mit ihm tun sollte. »Du kannst dich nicht um sie kümmern, indem du Leute ausraubst. Auf die Art wanderst du nur wieder direkt in den Knast. Wäre ich letzte Nacht ein Cop gewesen, würdest du jetzt schon wieder sitzen.«
Darren wirbelte zu ihr herum. »Mach, dass du hier rauskommst!«
»Was passiert wohl mit Alisha und Tyler, wenn du wieder in den Bau wanderst? Dann kann Psycho einfach so hier reinspazieren. Und was dann?«
Darren wollte etwas darauf erwidern, hielt jedoch inne und starrte auf den Boden.
»So«, wandte Mace sich wieder an Alisha. »Das ist unser Angebot.«
»Traust du diesem Professortypen?«, fragte Darren Mace unvermittelt.
»Ja, das tue ich«, antwortete sie. »Er meint es wirklich ernst.«
»Warum zum Teufel will er Leuten wie uns denn helfen?«
Mace wählte ihre Worte sorgfältig. »Es ist in etwa so, als würde er seine eigene Gang aufbauen.«
Der wütende Ausdruck verschwand von Darrens Gesicht. »Und er will natürlich der Boss sein, ja?«
»Nur, bis Alisha ihr eigener Boss sein kann«, erwiderte Mace.
Darren schaute zu seiner Schwester. »Diese Scheiße klingt zu gut, um wahr zu sein. Und was kommt als Nächstes? Stürmt gleich irgend so ein fetter Kerl mit Luftballons hier rein und wedelt mit einem dicken Scheck?«
»Darren«, sagte Mace, »nur um es mal klar zu sagen: Wir wussten nicht, dass du dazugehörst. Ich weiß nicht, ob dieses Angebot auch für dich gilt oder nicht.«
Alisha stand auf. »Wenn Darren nicht mitkommt, bleibe ich, wo ich bin.«
»Immer mit der Ruhe, Mädchen. Immer mit der Ruhe«, sagte Darren. »Wir müssen erst einmal darüber nachdenken.«
Mace stand ebenfalls auf. Roy tat es ihr nach. »Ihr müsst euch nicht jetzt entscheiden«, sagte sie. »Ihr habt die Wahl. Wir haben noch andere Termine.«
Darren musterte sie misstrauisch. »Wenn Alisha also Nein sagt, holt er sich einfach einen
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