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Auf das Leben

Titel: Auf das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Rothschild Oliver Weiss Mirjam Pressler
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traf, war sie jung und sehr schön. Sie hatte dunkle, lockige Haare und warme, rote Wangen. Sie sah aus wie eine große Puppe.«
    Wieder machte er eine Pause. Sein Blick war in die Ferne gerichtet, nicht auf irgendeinen Punkt im Raum. Ich saß ganz still.
    »Das hat ihr auch das Leben gerettet. Einer der SS-Männer hat sich in sie verliebt. Sie war eine erwachsene Frau, sah aber immer noch aus wie ein kleines Mädchen. Er muss das … erregend gefunden haben. Er wollte Eva für sich allein. Deshalb holte er sie von den anderen Arbeiterinnen in der Torpedofabrik weg und nahm sie zu sich. Dann schwängerte er sie. Sie glaubte, sie würde mit dem nächsten Transport weggeschickt. Aber nein, er hielt sie weiter versteckt und beschützte sie. Aber als das Baby geboren wurde - es war ein Mädchen, sagte sie -, brachte er es um. Und dann machte er es wieder: Er brachte das nächste Baby auch um. Einen Jungen.
    Und als der Krieg vorbei war und das Rote Kreuz Eva in einem Lager für Displaced Persons fand und mich später in einem anderen, brauchte sie unbedingt ein Baby, um das sie sich kümmern konnte. Unbedingt. Aber sie wollte nicht mehr schwanger werden. Nie mehr. Ich war einverstanden damit. Ich wollte auch keine Kinder. Nach allem, was ich gesehen hatte, wollte ich kein Kind in diese Welt setzen. Ich wollte mein Leben leben, und damit basta, Schluss, aus. Und so wurde ich - wie soll ich es erklären? - wurde ich ihr Baby. Eva brauchte mich, nicht als Ehemann, sondern als Kind. Und ich liebte sie noch immer. Sie war noch immer meine Eva, trotz allem. Deshalb wurde ich ihr Kind. Sie kochte für mich, sie umsorgte mich, sie fuhr mich herum. Mir war es egal. Ich war froh über das bisschen Frieden, das ich gefunden hatte. Ich wollte keinen Führerschein machen. Nicht mit meinen Händen. Wir zogen Ende 1953 hierher, in diesen Bungalow. Aber ich konnte nicht mehr arbeiten, wissen Sie. Nach all den Schlägen, die ich bekommen hatte, konnte ich mich nicht mehr richtig konzentrieren, meine Hände fangen manchmal immer noch an zu zittern - das ist nicht gut fürs Arbeiten. Besonders meine linke Hand - sehen Sie, Rabbi, wie schlecht die Knochen zusammengewachsen sind? Da haben sie mir draufgetreten. Und es tut immer ein bisschen weh. Aber ich konnte im Haus und im Garten arbeiten, weil ich mich hinsetzen konnte, wann immer ich wollte. Und wir bekamen eine Rente, weil ich in so einem schlechten Zustand war. Eva hat eine Weile in einem Laden gearbeitet, aber dann hat sie aufgehört und ist zu Hause geblieben. Sie hatte ja ihre eigene Rente. Die reichte fürs Auto.«
    Von alldem hatte ich nie etwas gehört. Ich brauchte eine Weile, um es zu verdauen. »Also - also sind Sie einfach die meiste Zeit hier in diesem Haus geblieben?«
    »Ja, Rabbi. Ich habe viel Radio gehört und später viel ferngesehen. Mein Englisch ist gut, nicht wahr? Und wir hatten unsere Freunde. Viele von ihnen ruhen mittlerweile in Frieden. Und im Sommer fuhren wir für eine Woche nach St. Anne’s. Wir fuhren nur einmal, ein einziges Mal, nach Deutschland, wissen Sie. Aber ansonsten - wer möchte schon irgendwohin fahren? Wo ist es besser als da, wo man ohnehin immer ist? Wir hatten keine Verwandten mehr, die wir besuchen konnten, beide nicht. Ich war vor meiner Befreiung in Thüringen und sie in Bayern, und das hieß, dass keiner von uns jemals wieder Berge oder Wälder sehen oder mit einem Zug fahren wollte. Mittwochs ging sie immer aus, um ihre Freundinnen zu treffen, und dann kochte ich für mich allein - sie brauchte eine Pause, und natürlich war ich absolut in der Lage, für uns beide zu sorgen, wenn sie krank war, aber nur, wenn es wirklich nötig war. Ich muss ja ein bisschen vorsichtig sein mit heißen Sachen, wegen meiner Hände. Aber wir kamen zurecht.«
    »Und wie ist es jetzt?«
    »Rabbi, Sie müssen mich verstehen. Ich habe Eva geliebt. Ich habe sie von ganzem Herzen geliebt. Aber nun hat sie ihren Frieden, und ich auch. Sie hat mich gebraucht, und ich habe sie gebraucht. Aber ich war nicht nur ihr Ehemann, ich war vor allem ihr Sohn. Und jetzt fühle ich mich nicht wie ein Witwer, sondern wie ein Junggeselle. Ein Junggeselle! Ich! Ich bin dreiundsiebzig! Machen Sie sich keine Sorgen, Rabbi - nicht diese Art Junggeselle. Aber jetzt habe ich eine eigene Wohnung, jetzt kann ich kochen, wenn ich Lust dazu habe, ich kann sogar einen Kuchen backen. Abends kann ich lange fernsehen. Die Nachbarn sind nett. Edna ist nett. Sie nimmt mich jeden Montag mit

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