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Auf das Leben

Titel: Auf das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Rothschild Oliver Weiss Mirjam Pressler
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Windbeach, fülle Formulare aus, lasse sie stempeln, übergebe die Sachen einem Wärter, dessen Aufgabe es ist, sie »auf die andere Seite« zu bringen, und dann - nachdem ich sorgfältig kontrolliert worden bin, ob ich auch keine Schmuggelware dabeihabe, Zigaretten oder Radios oder Telefonkarten oder was auch immer - darf ich durch die »Schleuse« gehen. Irgendein Typ im blauen Pullover öffnet mir eine Tür und schließt sie wieder hinter mir, öffnet eine weitere Tür und schließt sie hinter mir … Mich würde es wahnsinnig machen, wenn ich das jedes Mal tun müsste, nur um einen Gang entlangzugehen.
    So durchqueren wir dann den ganzen Komplex, bis wir zu einer Zelle kommen, wo ich einen dieser armen Kerle sehen darf, die eingesperrt wurden, weil sie die Buchhaltung einer Tankstelle oder irgendeinen Scheck gefälscht haben. Natürlich leugnen die meisten Häftlinge erst einmal ihre Tat - es sei ein anderer gewesen, sie seien reingelegt worden und so weiter. Ich finde es immer wieder traurig, dass sie sich nicht mit ihren Taten auseinandersetzen wollen - hier hätten sie die Zeit und die Gelegenheit zu sprechen, sich dem zu stellen, was sie getan haben, zu versuchen, sich zu bessern … aber die meisten bleiben dabei zu leugnen. »Unsere« kommen meist wegen »Weiße-Kragen-Delikte« in den Knast, allerdings nicht immer. In fast allen Gefängnissen, auch in anderen Ländern, scheint es mindestens einen Israeli zu geben, der wegen Drogenschmuggels einsitzt. Manchmal frage ich mich, ob es irgendeine Geheimdienstabteilung gibt, die sich darauf spezialisiert hat, in jedes Gefängnis der Welt einen Israeli zu schleusen …
    Aber ich schweife ab. Das Kaplansbüro in Windbeach ist im Block C, im dritten Stock. Es besteht aus insgesamt drei Räumen - einem Büro, einem Wartezimmer voller Broschüren, die einem erklären, wie man sein Leben »draußen« wieder neu aufbauen kann, sollte man vorhaben, draußen zu bleiben (sehr viele kommen nämlich zurück!) - und einem kleinen Raum, in dem private Gespräche geführt werden können. Die Einrichtung ist karg: ein Holztisch, Holzstühle - es gibt keine Möglichkeit, etwas zu verstecken hier -, in die Tür ist ein Fenster eingelassen, für den Notfall. Dort treffe ich Father Sandy, der mir einen Tee macht, während ich darauf warte, dass mein heutiger Klient von seinem Arbeitsplatz weggeholt und zu mir gebracht wird. Obwohl solche Besuche lange vorher abgesprochen sind, befindet sich der Klient immer, wenn ich komme, irgendwo anders und muss erst zu mir gebracht werden …
    Meist gelingt es mir, ein paar Tafeln Schokolade mitzubringen. Nie Tabak. Den Wärtern am Eingang scheint es egal zu sein, wenn ich Schokolade in der Jackentasche habe. Nur einmal musste ich einem strengen Typen erklären, die Schokolade sei für mich, weil solche Treffen mich immer hungrig machten. Natürlich glaubte er mir nicht, aber zum Teufel, ich war ein Mann Gottes, kein Verwandter oder Komplize, also beließ er es dabei. »Drinnen« ist Schokolade eine geschätzte Währung und zu kostbar, um sie zu essen. Das hatte ich längst gelernt.
    Wenn wir fertig sind, trinken Father Sandy und ich manchmal noch eine Tasse Tee und plaudern ein bisschen. Er hat alles gesehen und alles gehört und einen großen Vorrat an Geschichten … einige davon sind haarsträubend, die meisten aber deprimierend. Er hat auch viel Sinn für Humor - den braucht er noch mehr als ich -, und manchmal, nur manchmal, bin ich mir nicht sicher, ob ich das, was er erzählt, ernst nehmen soll. Eine seiner Geschichten ist mir ganz besonders in Erinnerung geblieben …
    Zu Beginn dieser Geschichte hatte Father Sandy erst vor Kurzem seine erste Amtsstelle angetreten, erzählte er. Im Süden, in einer Hafenstadt. »Das Gefängnis war ein schreckliches altes Gebäude«, sagte er. »Es stank zum Himmel, wenn sie ihre Eimer ausleeren mussten, und nachts gab es viel Geschrei. Ich sage Ihnen, die neuen Gefängnisse - so wie dieses hier - sind Luxushotels im Vergleich zu denen, in denen ich meine Arbeit im Dienste Gottes begonnen habe.«
    Ich fand das, was ich hier in Windbeach sah, schlimm genug, aber ich neigte dazu, ihm zu glauben.
    »Ich war nur ein halbes Jahr dort, dann hat mich der Bischof versetzt. Ich kam frisch vom Seminar und war wohl noch nicht trocken hinter den Ohren. Natürlich kann ich rückwirkend nur zusammenzucken, wenn ich an all die Fehler denke, die ich damals noch gemacht habe.«
    Ich sagte, dass ich dieses Gefühl kenne,

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