Auf & Davon
„Ich werde es versuchen.“
Ty streckte die Hand aus, tätschelte ihm beinahe zärtlich das Knie und rappelte sich dann vom Boden auf.
Zane juckte es in den Fingern, Ty noch einmal zu berühren, aber er ballte die Fäuste und verfluchte seine Nervosität. Mal sehen wie’s läuft. Nun, im Moment lief mal gerade gar nichts. Er kletterte aus dem Bett und ging zu seiner Jacke, um die Taschen nach seinen Zigaretten zu durchstöbern. Ty sah ihm schweigend dabei zu, ein schiefes Lächeln auf den Lippen.
Zane drehte sich um. Als er sah, dass Ty ihn beobachtete, blieb er reglos stehen, Zigaretten in der einen, Feuerzeug in der anderen Hand.
„Die Dinger bringen dich noch um“, sagte Ty belustigt.
Zane warf ihm einen reumütigen Blick zu, dann schüttelte er den Kopf und zeigte ihm den Finger, während er zur Tür ging. „Lass mir wenigstens ein Laster, ja?“ bat er.
Ty seufzte und sah ihm nach, bis er an der Tür war. „Die Pillen sind in meiner Tasche“, sagte er leise.
Zane blieb stehen und warf Ty über seine Schulter hinweg einen Blick zu. Ja, er wollte diese verdammten Pillen. Nur einmal daran gedacht, und er lechzte danach, nach dem künstlichen Glücksgefühl und nach dem Selbstvertrauen, das er von den Dingern bekam. Zu wissen, dass die Drogen in greifbarer Nähe waren—das war, als hätte er eine Klette unter dem Hemd, die ihm die Haut wund rieb. Er drehte sich um. „Gib sie her, bitte“, verlangte er ruhig.
Ty wartete noch einen Moment und ging dann an seine Reisetasche, kramte darin herum und förderte schließlich die Blechdose zutage. Er hielt sie hoch, rasselte damit und warf sie Zane dann wortlos zu. Zane fing die Dose geschickt aus der Luft und schaute sie dann lange nur an. Dann setzte er sich in Bewegung, ging an Ty vorbei und ins Bad, wo er sich daranmachte, die Dose zu öffnen. Ty senkte den Kopf und lauschte angespannt. Er konnte nur hoffen, die Toilettenspülung zu hören und nicht, wie Zane sich am Wasserhahn ein Glas füllte.
Zane starrte lange auf die kleinen pinkfarbenen Pillen hinab. Was war schon groß dabei? Wenn er jetzt eine nahm, dann schadete das nur ihm selbst…und er tat Ty damit weh. Zane wandte den Blick zur Tür. Weil Ty nicht wollte, dass er Drogen nahm. Ganz verloren in diesem Gedanken drehte er die Dose um und sah zu, wie die Pillen in die Toilette fielen und im Wasser versanken, bis sie auf dem weißen Porzellan liegen blieben. Er war stocknüchtern, als er sie hinunterspülte und dann die Dose mit einem metallischen Geräusch in den Abfalleimer warf.
Als Zane sich umdrehte, sah er Ty dort stehen. Er machte zwei Schritte und nahm Tys Mund mit Lippen und Zunge in Besitz, umschloss Tys Gesicht sanft mit den Händen.
Ty erwiderte den Kuss mit viel Gefühl, legte Zane die Arme um die Mitte und zog ihn an sich. „So ist‘s brav“, murmelte er dabei.
Kapitel 14
H ENNINGER rief um Punkt neun Uhr morgens an, nur wenige Stunden, nachdem Zane seine Pillen die Toilette hinuntergespült hatte. Der junge Agent sagte Ty, dass er ihnen Zugang zu einem der früheren Tatorte verschafft hätte, da er wüsste, wie gern Ty hingehen und sich alles ansehen wollte, und dass sie sich sobald wie möglich mit ihm treffen sollten, bevor jemand Wind davon bekäme. Außerdem hätte er jetzt auch die Personalakten für sie, und da stünden ein paar interessante Sachen drin.
„Was zum Beispiel?“, fragte Ty neugierig.
„Zum Beispiel wer alles an diesem Fall beteiligt ist und auch 2004 in Baltimore war“, antwortete Henninger trocken. „Sie und ich eingeschlossen, Special Agent Grady“, fügte er hinzu.
„Ach, Scheiße“, brummte Ty ins Telefon. „Bringen Sie sie trotzdem mit, Kleiner“, verlangte er und drängte dabei Zane mit einer Handbewegung zur Eile. „Wir sehen uns in dreißig Minuten.“
„Ja, Sir“, antwortete Henninger und legte auf.
Sobald der Anruf beendet war, nahmen Zane und Ty die Beine in die Hände. Sie schafften es in Rekordzeit zu ihrem Mietwagen und machten sich auf den Weg quer durch die Stadt zu ihrem Treffen mit Henninger.
Während er durch den schnellfließenden Verkehr fuhr, ertappte Ty sich dabei, wie er darüber nachgrübelte, wie sehr Tim Henninger sich für sie ins Zeug gelegt hatte. Er hatte den Jungen gewaltig unterschätzt. Vielleicht sollte er ihn als Entschuldigung mal zum Abendessen einladen.
Auf dem Beifahrersitz blätterte Zane in einem Notizbuch mit seinen eigenen Aufzeichnungen herum, das er sich auf dem Weg zur Tür geschnappt
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