Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf dem Jakobsweg

Auf dem Jakobsweg

Titel: Auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Coelho
Vom Netzwerk:
wieder dürsten.< Erbarme Dich derer, die den Kosmos auf eine Erklärung reduzieren, Gott zu einem Zaubertrank machen und den Menschen zu einem Wesen mit Grundbedürfnissen, die befriedigt werden müssen, denn diese werden nie die Sphärenmusik hören. Doch erbarme Dich vor allem derer, deren Glaube blind ist und die in den Laboratorien Quecksilber zu Gold machen und von Büchern über die Geheimnisse des Tarots und die Macht der Pyramiden umgeben sind. Denn sie kennen Dein Gesetz nicht, das da lautet: >Und den Kindern gehört das Himmelreich.<
Erbarme Dich derer, die niemanden außer sich selbst sehen und für die die anderen nur ein undeutliches, fernes Szenarium sind, wenn sie in ihren Limousinen durch die Straßen fahren und sich in bis zum obersten Stockwerk klimatisierten Gebäuden verschanzen und unter der Stille und der Einsamkeit der Macht leiden. Doch erbarme Dich vor allem derer, die alles weggeben und wohltätig sind und versuchen, das Böse allein mit Liebe zu besiegen, weil diese Dein Gesetz nicht kannten, das da lautet: >Wer kein Schwert hat, der möge seinen Umhang veräußern und eines kaufen.<
Herr, erbarme Dich unser, die wir suchen und wagen, das Schwert zu ergreifen, das Du uns versprochen hast, denn wir sind ein heiliges und sündiges über die Welt verstreutes Volk, weil wir uns selbst nicht kennen und häufig denken, daß wir Kleider tragen, obwohl wir nackt sind, weil wir denken, wir hätten ein Verbrechen begangen, und in Wahrheit jemanden gerettet haben. Vergiß in Deiner Barmherzigkeit nicht, daß wir alle das Schwert gleichzeitig mit der Hand eines Engels und der Hand eines Dämons halten, Denn wir sind in der Welt, bleiben in der Welt und brauchen Dich. Wir brauchen immer Dein Gesetz, das da lautet >Wenn ich euch ohne Beutel, Sack und Sandalen schickte hat euch nichts gefehlt.<«
Petrus hörte auf zu beten. Es herrschte weiterhin Stille Er starrte auf das Weizenfeld um uns herum.

Der Sieg über sich selbst
    Eines Abends erreichten wir eine alte Burg des Templerordens. Wir rasteten dort, und Petrus rauchte seine übliche Zigarette, und ich trank ein bißchen von dem Wein, der von unserem Mittagsmahl übriggeblieben war. Ich blickte auf die Landschaft: einige Bauernhäuser, der Burgturm, das hügelige Feld, das gepflügte, für die Aussaat vorbereitete Land. Plötzlich tauchte hinter den verfallenen Mauern rechts von mir ein Hirte auf, der mit seinen Schafen vom Feld zurückkam. Der Himmel war rot, der von den Tieren aufgewirbelte Staub ließ die Landschaft verschwimmen, als wäre es ein Traum, eine magische Vision. Der Hirte hob die Hand und winkte uns zu. Wir winkten zurück. Die Schafe zogen vor uns vorbei und setzten ihren Weg fort. Petrus erhob sich. »Nun komm. Wir müssen uns beeilen«, sagte er.
»Warum?«
»Darum. Findest du nicht, daß wir schon ziemlich lange auf dem Jakobsweg sind?«
Doch irgend etwas sagte mir, daß seine Eile etwas mit der magischen Szene mit dem Hirten und seinen Schafen zu tun hatte.
Zwei Tage später erreichten wir einige Berge, die im Süden aufragten und die Monotonie der riesigen Weizenfelder durchbrachen. Das Terrain wies einige Erhebungen auf, doch es war gut sichtbar von den gelben Zeichen markiert, auf die mich Pater Expeditus hingewiesen hatte. Petrus ließ die Markierungen jedoch kommentarlos links liegen und wandte sich nach Norden. Ich machte ihn darauf aufmerksam, und seine Antwort war kurz angebunden, daß er der Führer sei und wisse, wohin er mich führe.
Nach einer halben Stunde Wegstrecke begann ich ein Geräusch zu hören, das so klang wie herabstürzendes Wasser. Um uns herum lagen nur sonnenverbrannte Felder, und ich fragte mich, was das wohl für ein Geräusch war. Doch je länger wir wanderten, desto lauter wurde das Geräusch, bis kein Zweifel mehr daran bestand, daß es von einem Wasserfall stammte. Das Merkwürdigste war nur, daß ich um mich blickte und weder Berge noch Wasserfalle sehen konnte.
Erst als wir über einen kleinen Hügel gekommen waren, stand ich vor einem außergewöhnlichen Werk der Natur: In einer Bodensenke, in die ein fünfstöckiges Haus passen würde, floß Wasser ins Innere der Erde. Die Wände dieses riesigen Loches waren von einer üppigen Vegetation bedeckt, die so ganz anders als die der Umgebung war und das herabstürzende Wasser umrahmte.
»Laß uns dort hinuntersteigen«, schlug Petrus vor.
Wir stiegen langsam hinunter, und mir kam es so vor, als stiegen wir wie bei Jules Verne zum Mittelpunkt der

Weitere Kostenlose Bücher