Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)
schon bestürzend genug, jemanden kennenzulernen, der keine Fragen zu ihrer medialen Begabung stellte, aber dann auch noch die Botschaft zu erhalten, dass dies der Mann war, der für den Rest ihres Lebens an ihrer Seite sein würde? Sie brauchte etwas Zeit, um das zu verarbeiten.
Jetzt, da sie sich nicht mehr allein im Raum befanden, war der Zauber gebrochen. Jazzy ertappte Carson dabei, wie er sie aus den Augenwinkeln musterte, aber wenn sie seinem Blick begegnete, schaute er weg. Vor den Augen seiner Eltern verhielt er sich zurückhaltend. Im Verlauf der nächsten Stunde war in der Küche immer mehr los und sie und Carson konnten sich nicht mehr unterhalten. Nachdem Rita und Laverne zum Frühstück heruntergekommen waren, bestellte Mike einen Abschleppwagen für Ritas Auto und die Familie plante ihren Tag.
»Leider müssen wir los zum Restaurant«, meinte Beth und erklärte, dass Vorbereitungen zu treffen seien, bevor die Mittagsgäste kämen. »Sie bleiben also heute Vormittag sich selbst überlassen.«
Jazzy, die gerade Carson beim Abwasch zur Hand gegangen war, meldete sich zu Wort: »Kann ich mitkommen? Ich würde Ihnen wirklich gern bei der Arbeit helfen.« Sie fühlte sich kribbelig, aber das war natürlich nicht der einzige Grund. Sie war von Carson magnetisch angezogen und von seinen Eltern merkwürdigerweise auch. Sie empfand den sonderbaren Drang, ihnen überall hin zu folgen und zu sehen, was sie so trieben. Der Gedanke, mit den drei älteren Frauen zurückzubleiben, hatte keinen Reiz.
»Aber sicher, Schätzchen, wenn dir das nichts ausmacht«, antwortete Beth. »Ein weiteres Paar Hände können wir immer gebrauchen.«
Als sie später beim Restaurant eintrafen und hinten auf den Parkplatz fuhren, verlor Jazzy das Gefühl, im Urlaub zu sein, das sie seit dem Aufbruch aus Wisconsin hatte. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Gebäude, beim Warten auf Big Mike, der vor der Tür mit den Schlüsseln hantierte, und beim Gang zur Restaurantküche fühlte sich alles vollkommen vertraut an. Doch noch während sie das dachte, wusste sie, dass es nicht ganz stimmte. Es war nicht vertraut, weil sie schon früher dort gewesen war. Es war vertraut, weil sie in die Zukunft sehen konnte. Vergangene Erinnerungen gerieten mit künftigen Erinnerungen durcheinander.
Beth schaltete die Leuchtstoffröhren ein. Sie flackerten einen Moment lang, bevor sie richtig angingen und einen großen Raum beleuchteten, der mit Arbeitsplatten aus Edelstahl, einer Spüle, die so tief war, dass man einen Labrador darin hätte baden können, einer professionellen Herdplattenreihe und mehreren Kühlschränken mit Glastür ausgestattet war. »Willkommen in unserer Welt«, sagte Beth. »Meine Hauptaufgabe ist das Backen von Pies. Wir machen um halb zwölf auf. Carson kocht, mein Mann regelt die Warenbestellungen und ich kümmere mich um den Empfang und die Kasse. Unsere Teilzeitkraft Sherry serviert heute, aber sie kommt erst um elf.«
Jazzy schaute Carson an. »Du kochst?«
Carson nickte. »Das ist nicht so beeindruckend, wie es klingt. Wir haben eine ziemlich einfache Karte. Überwiegend Sandwiches und Suppe. Und die Suppe ist bereits fertig. Oft bestellen die Gäste einfach nur Pie und Kaffee.« Er blickte bescheidenzu Boden und fuhr dann fort: »Tatsächlich springe ich nur für den eigentlichen Koch ein. Der ist in der Reha.«
»Wirklich?«, fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Der arme Burt hat zwei künstliche Kniegelenke bekommen«, berichtete Beth. »Zum Glück kann Carson ihn vertreten, solange er sich erholt.«
»Hast du denn keine Arbeit?«, fragte Jazzy.
»Ich habe gerade meinen Uni-Abschluss gemacht. Meine neue Stelle trete ich erst im Herbst an«, erklärte Carson, doch bevor sie ihn noch fragen konnte, was er studiert hatte und als was er arbeiten würde, reichte Beth ihr eine Schürze und hieß sie Käse schneiden und kleine Pappbecher mit Krautsalat füllen.
Die Vorbereitungen für die Mittagszeit erforderten eine Reihe sich wiederholender Tätigkeiten, die Jazzy gleichzeitig stumpfsinnig und beruhigend fand. Aus mehreren raffiniert kaschierten Lautsprechern im Restaurant strömte Rockmusik der Achtzigerjahre und sie arbeitete im Takt. Als sie mit dem Krautsalat fertig war, schnitt sie Brötchen auf, und danach faltete sie Servietten. Bevor sie es sich versah, waren sie fertig, und Mike war losgefahren, um die anderen Frauen abzuholen. »Mach nicht auf, bevor ich zurück bin«, sagte er zu seiner Frau.
»Darauf
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