Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)
mitnehmen?«, fragte Marnie eifrig. »Dann könnten wir gleich von dort aus zur Werkstatt fahren?«
Der Ausdruck in Mikes Miene veränderte sich. Rita spürte, dass sie gleich schlechte Nachrichten hören würden. »Also, was das angeht. Ich sage Ihnen das nur ungern, aber es gibt da ein kleines Problem.« Sein Mund verzog sich zu einem nervösen Lächeln.
»Was für ein Problem?«, fragte Marnie.
»Also, die Sache ist die«, erklärte Mike. »Es ist noch mehr kaputt als nur die Lichtmaschine. Jason musste noch ein weiteres Ersatzteil bestellen, darum wird es länger dauern, als er gedacht hat.«
Marnie blickte niedergeschlagen drein. »Aber Sie haben ihm doch gesagt, dass wir heute weiterfahren müssen, oder?«
»Sicher«, antwortete Mike. »Ich bringe Sie nach dem Essen zur Werkstatt, dann können Sie selbst mit ihm reden. Das letzte, was ich gehört habe, ist, dass es eine Verzögerung gibt. Mehr weiß ich nicht.«
»Vielleicht gibt es ja noch eine andere Werkstatt in der Nähe, die das Ersatzteil vorrätig hat?« Marnie klang verzweifelt. »Oder vielleicht könnte er das Teil aus einem Schrottwagen ausbauen. Gebrauchte Teile sind manchmal noch voll funktionsfähig.«
»Glauben Sie mir, ich habe ihm gesagt, dass Sie so bald wie möglich weiterfahren müssen, und er arbeitet so schnell er kann«, erwiderte Mike sanft. »Er ist sehr tüchtig. Ich kenne Jason seit zwanzig Jahren.«
Die Ader in Marnies Stirn trat vor. »Aber was, wenn er ...«
»Marnie«, sagte Rita scharf. »Es hat keinen Sinn, darüber zu streiten. Wir fahren jetzt zum Essen und reden hinterher mit dem Mechaniker. Dann werden wir sehen, was es für Optionen gibt.«
»Ich wollte nicht streiten«, meinte Marnie kläglich. »Ich habe einfach nur Vorschläge gemacht.«
»Denken wir positiv und nehmen das Gepäck mit«, sagte Mike. »Sollte der Wagen fertig sein, hält Sie dann nichts mehr auf.« Marnie schien dieser Vorschlag nur wenig zu trösten.
Auf dem Weg zum Restaurant schob Rita Marnies Elend und das Autoproblem innerlich beiseite. Ihre Spannung wuchs. Sie war unterwegs zum Preston Place. Redete sie sich nur ein, dass Melinda sie dorthin geführt hatte? Nein, das glaubte sie nicht. Es fühlte sich richtig an.
Rita hatte nie über Geister oder das Jenseits nachgedacht. Sie hatte geglaubt, was sie als Kind in der Sonntagsschule gelernt hatte. Nichts geschah ohne Grund und nach dem Tod kamen die, die gut gewesen waren, in den Himmel. Furchtbar böse Menschen kamen in die Hölle. Sie hatte all das nie in Frage gestellt, nicht einmal, als ihre eigenen Eltern starben. Das Leben in der realen Welt hatte ihr vollkommen genügt. Sie hatte Glenn und Melinda gehabt, Freunde, Verwandte und ihr schönes Zuhause. Sie hatte gern im Garten gearbeitet und im Kirchenchor gesungen. Sie hatte so viel zu tun gehabt, dass ihr keine Zeit geblieben war, sich mit irgendetwas zu befassen, das sich nicht unmittelbar vor ihren Augen befand.
Doch dann war Melinda ermordet worden und das Leben, wie sie es gekannt hatte, war vorbei gewesen.
Bei der Beerdigung war sie von Freunden und Verwandten umgeben gewesen, doch Davis’ Fehlen war aufgefallen. Als Glenn ihn ein paar Tage später endlich am Telefon erreicht hatte, war Davis kurz angebunden gewesen und hatte nichtmit ihm reden wollen. Sie waren erstaunt und verletzt gewesen, hatten sich aber gesagt, dass Davis eben auf seine Weise trauerte. Als Davis ohne Abschied die Stadt verließ, wussten sie nicht, was sie davon halten sollten. Und als Melindas Freundin Tiffany kurz darauf zu ihnen nach Hause kam, bestätigte das, was sie zu sagen hatte, einen Verdacht, gegen den sie sich innerlich gesträubt hatten. »Ich glaube, dass Davis Melinda ermordet hat«, erklärte sie mit Tränen in den Augen. Sie berichtete, dass der, dem Davis sein Alibi verdankte, sein Bruder, ihr eine andere Geschichte vom Ablauf der Mordnacht erzählt habe. Davis habe die Nacht nicht in der Wohnung seines Bruders verbracht, wie er bei der Polizei ausgesagt hatte, sondern die Kneipe gegen Mitternacht verlassen, um nach Hause zu gehen. Davis sei wütend gewesen, weil Melinda ihn ständig auf dem Handy angerufen habe. »Melinda wollte sich von ihm trennen«, berichtete Tiffany. »Das hat sie mir selbst erzählt. Sie hatte seine Eifersucht und die ewigen Streitereien satt.« Rita und Glenn hörten entsetzt zu. Natürlich gaben sie diese neue Information an die Polizei weiter, aber Davis’ Bruder blieb bei seiner ursprünglichen Geschichte,
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