Auf dem langen Heimweg: Roman (German Edition)
Backsteinkästen waren. Marnie wohnte in der oberen Hälfte und durfte den Keller benutzen, wo ihre Waschmaschine und ihr Trockner standen. Heute Abend war ihr Teil des Hauses dunkel, aber unten, wo ihre Vermieterin Mrs. Benner lebte, brannte Licht. Marnie nahm sich vor, künftig abends ein Licht anzulassen, wenn sie ausging. Man musste sich wirklich daran gewöhnen, allein zu leben.
»Das ist Ihr Haus?«, fragte Jazzy. »Es ist sehr schön.«
»Ich bin gerade erst eingezogen und wohne zur Miete«, erklärte Marnie. »Ich weiß nicht, wie lange ich hier bleiben werde. Ich halte nach einer Eigentumswohnung Ausschau.« Der letzte Teil stimmte eigentlich nicht ganz. Tatsächlich hatte sie
vor
, nach einer Eigentumswohnung Ausschau zu halten, aber so war es auch noch mit vielen anderen Dingen. Diese dann aber auch wirklich zu tun, war wieder etwas ganz anderes. Der Wagen hielt und Marnie wühlte in ihrer Handtasche nach Stift und Papier. »Ich würde Ihnen gerne meine Telefonnummer geben«, sagte sie, schrieb sie auf und reichte den Zettel Jazzy. »Ich bin Ihnen für Ihre Hilfe unendlich dankbar und ich würde mich gern revanchieren. Vielleicht kann ich Sie ja mal an einem Sonntag zum Abendessen einladen? Ichkoche sehr gerne und in letzter Zeit habe ich wenig Gelegenheit dazu.«
»Das wäre schön«, sagte Jazzy. »Gerne. Vielen Dank.«
Nachdem Marnie sich verabschiedet hatte, rannte sie unter den Schutz des Vordachs, wo sie feststellte, dass Mrs. Benner die Haustür bereits für die Nacht abgeschlossen hatte. Sie hantierte mit ihrem Schlüsselbund und war froh, als sie endlich den richtigen Schlüssel fand und das Schloss mit einem Klicken aufging.
Obwohl Mrs. Benner unmittelbar unter ihr wohnte, hatte Marnie die alte Dame bisher nicht kennengelernt und würde wahrscheinlich auch niemals Gelegenheit dazu bekommen. Sie hatte den Mietvertrag mit Dave Benner ausgehandelt, der sie gebeten hatte, seine Mutter nicht zu belästigen. »Meine Mutter bleibt gerne für sich. Bitte respektieren Sie das«, sagte er, nachdem er ihr gezeigt hatte, wie der Thermostat funktionierte, und ihr die Gegensprechanlage erklärt hatte, die ihre Wohnung mit der Haustür verband. »Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass Sie sie wahrscheinlich überhaupt nicht zu Gesicht bekommen werden. Ich möchte Sie darum bitten, nicht zu versuchen, in irgendeiner Weise Kontakt mit ihr aufzunehmen. Klopfen Sie nicht an ihre Tür. Rufen Sie nicht nach ihr. Falls Sie irgendein Problem haben, müssen Sie sich an mich wenden.« Er hatte klargestellt, dass das Mietverhältnis ohne Marnies Einwilligung in diesem Punkt nicht zustande kommen würde. Da sie nicht für eine bestimmte Dauer gemietet hatte, konnte er ihr jederzeit kündigen, und der Gedanke, erneut umziehen zu müssen, gefiel ihr gar nicht.
Nach ihrem Gespräch hatte Marnie über seine Worte nachgedacht. Sie hatte sich gefragt, was für ein Problem Mrs. Bennerhatte, hatte sich aber bei ihm nicht danach erkundigt. Das wäre unhöflich gewesen. Versuchen Sie nicht, Kontakt mit ihr aufzunehmen, so hatte er es ausgedrückt. Was für eine merkwürdige Formulierung. Marnie hatte ohnehin nicht vor, sich mit Mrs. Benner anzufreunden, also war das Ganze kein Thema für sie. Sie blieb ebenfalls gerne für sich, da passte es ihr ganz gut, dass unter ihr eine Einsiedlerin lebte. Im unteren Stockwerk war es immer still. Gelegentlich roch sie einmal einen Essensduft oder hörte das leise Miauen einer Katze, aber meistens war es so, als lebte sie ganz allein in dem Haus.
Heute Abend dachte sie an Daves Anweisungen, schloss die Tür sorgfältig hinter sich ab und prüfte dann noch einmal, ob sie auch wirklich zu war. Sie blieb vor Mrs. Benners Tür stehen und lauschte. Nichts. Sie wusste jedoch, dass die alte Dame da war, und um ihre Theorie zu testen, blieb sie auf halber Höhe der Treppe stehen. Klick. Da war es, das Geräusch, mit dem Mrs. Benner ihre Tür einen Spalt weit öffnete – zweifellos, um sie zu kontrollieren. Das geschah beinahe jedes Mal, wenn Marnie kam oder ging. Wenn sie umkehrte, wurde die Tür rasch geschlossen. Für eine Frau, die gerne für sich blieb, war Mrs. Benner jedenfalls sehr neugierig.
Marnie fragte sich, ob sie das Kontaktverbot wohl übertrat, wenn sie erkennen ließ, dass sie die alte Dame bemerkt hatte. »Gute Nacht, Mrs. Benner«, rief sie leise, bevor sie weiter zu ihrer Wohnung hinaufging. »Schlafen Sie gut und träumen Sie schön.«
5
Marnie hatte noch nicht einmal
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