Auf dem Maniototo - Roman
Orten, die er außer in seiner Phantasie niemals besucht hatte, und doch war da auch eine Ahnung, dass er sogar von dort verbannt war, und eine Einsamkeit, durch die er meine Zuneigung gewann, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich durch unsere Heirat diese Unschuld bewahren oder zerstören wollte. Ich weiß, dass er für den Beruf des Schuldeneintreibers absolut ungeeignet war, und vielleicht bekam er die Anstellung gerade deshalb, während andere, auch ehemalige Polizisten, keinen Erfolg hatten. Sein an Besessenheit grenzendes Interesse für Schulden und ihre Bezahlung, verbunden mit seiner überzeugenden Stimme, die in der Vergangenheit in einem Atemzug vom konjunktivischen über den dativischen und imperativischen zum kopulativen Modus springen konnte, überzeugte das Inkassobüro offensichtlich davon, dass seine Anstellung zur Bezahlung der vielen uneinbringlichen Außenstände führen würde, die sich hinter den Jalousien und Schiebetüren von Blenheim verbargen.
Ich versuchte, «meinen» Lance zu analysieren. Ich hatte vor Jahren Psychologie studiert, aber ich gab die Suche nach frühzeitigen Erfahrungen, die man für seine Obsession verantwortlich machen konnte, bald auf, und natürlich wollte ich nicht neueren Erlebnissen die Schuld geben. (Mir war bewusst, dass auch mein erster Mann seinen Beruf gewechselt hatte: vom Medizinstudenten zum Rohrleger). Unsere einstigen Existenzen waren zu beendeten Spielen und zugeklappten Büchern geworden, und wenn wir manchmal darüber sprachen oder durch zufällige Begegnungen oder Nachrichten oder Fotografien daran erinnert wurden, führten wir Gespräche wie Touristen, die vor Jahren dasselbe Land besucht hatten, bevor alles zerstört, verändert, erschlossen wurde. Erinnerungsland: umhüllt von Wolken und Licht; wo heute kaum noch Flugzeuge und Schiffe landen.
Ich kam zu dem Schluss, dass es Lances «Alter» war, das seine plötzliche Veränderung bewirkt hatte (ebenso wie ich festgestellt hatte, dass mein «Alter» dafür ausschlaggebend war, dass meine romantische Zuneigung zu ihm sich zu einer Ehe verfestigte, insbesondere da ich mich auf eine Schriftstellerkarriere kapriziert hatte – obwohl auch dieser Traum von der Realität infiziert war: von diesen erfolgreichen Schriftstellerinnen, die ein Heim und eine Familie haben und, bedient von wirklichen oder eingebildeten Dienstboten, trotzdem schreiben). Im Endeffekt hatte ich das Gefühl, dass Lance einfach in seinem eigenen Vorrat an Schuld wie in einer Falle gefangen war.
Er
wollte zahlen. Er war in einer Verfassung, in der man ein Erwachen von Religion in sich spürt, wo Schuld wichtig genug ist, um im täglichen Gebet erwähnt zu werden, und obwohl dabei die Vergebung betont und gewährt wird, ist doch das Faktum der Schuld vorhanden. Dir wurdegegeben, du hast erworben, du hast gestohlen, und du
schuldest,
noch vor deinem ersten Atemzug. Das Leben auf der Erde ist so eingerichtet, dass dir jeder Tag wie auf Kredit gewährt werden mag, einer nach dem anderen, ein Leben lang, und du der Bezahlung ausweichen kannst – eine Art sekundärer Vermeidung. Die primäre Vermeidung liegt in der Unfähigkeit zur Einsicht, dass der Wunsch zu bezahlen im Grunde von kleinlichen Berechnungen ungetrübt und nicht einmal davon abhängig ist, dass einem gegeben wurde, dass man bekommen, erworben oder gestohlen hat. Sie liegt darin, nicht zu erkennen, dass in einer Welt der Reproduktionen nichts dem Wert des Originals entsprechen kann und die wahre Tatsache oft eine Kopie der unwahren Erfindung ist und dass die ewigen Freuden und Leiden der Menschen in der Sehnsucht gründen, nicht nur zu bezahlen, sondern das Original als etwas Gesondertes zu erkennen, nicht als wahr oder unwahr oder als Gegenkathete oder Ankathete; zu bezahlen in der Weise, wie die Blumen für den Frühling zahlen, indem sie als ein Teil des Frühlings im Frühling blühen.
Da auch ich in einem Alter war, in dem Verdrängungen unentschuldbar und lächerlich werden können, bildete ich mir ein, den Ursprung des Gefühls bestimmen zu können, von dem Lance besessen war. Ich bezeichnete es als
Hypotenusenverlangen.
Die Geometrie und das Bezahlen sind Überbleibsel aus meiner Schulzeit, ja schon aus meiner ersten Woche in der Schule, als mich eine Lehrerin plötzlich anschrie: «Pass auf! Komm heraus!»
Ich kam «heraus».
Sie schlug mich mit einem Lederriemen auf die Hand und sagte streng: «Und pass in Zukunft auf!»
Heute verstehe ich das Aufpassen als
Weitere Kostenlose Bücher