Auf dem Maniototo - Roman
Schriftsteller, Komponisten, Bildhauer, nein. Es ist für eine Schriftstellerin beängstigend genug, den Verboten ihrer wesensbedingten Fehler und Schwächen ins Auge zu blicken, die in ihrem «Du sollst nicht …» viel überzeugender sind als alle Gebote derer, die die Kunst des Schreibens zu lehren versuchen. Ich habe nie akzeptieren können, dass das Schreiben eines Romans oder eines Gedichts dasselbe ist wie Einkaufen oder Gartenarbeit – man beschließt es und tut es, und damit hat es sich –, außer man beschließt, eine Bank im Einkaufsviertel auszurauben oder seinen Garten auf dem Meeresboden oder im Himmel anzulegen, und selbst dann entscheidet man nicht selbst, sondern es wird über die Handlungen entschieden.Und man kauft nur ein, weil man Hunger hat, und arbeitet im Garten, weil man Nahrung anpflanzen muss für Mund und Herz und Hirn.
Soll ich es anders ausdrücken, mit Versen aus dem
Reservoir der Vielfalt?
Ich bin nicht das ungleichseitige Dreieck, der alte, humpelnde Krieger mit dem verkürzten Bein,
auch nicht das gleichschenkelige, die Spitze im Gebet zum Himmel erhoben,
nur Teil des Ganzen, Hypotenuse,
mein Leben wird angestarrt, heimgezahlt
von der Genauigkeit eines rechten Winkel-Auges.
∗
Als ich, der Vogel Scharlachtangare, aus dem wunderschönen Sommer im Süden zurückkehrte
und Teich und See vorfand in eisiger Gleichgültigkeit gegenüber meinem Durst,
Schneehügel, darauf wartend, mein Begräbnis zu vollenden,
jeder faule Wald unfähig, für ein grünes Mahl zu sorgen,
hatte ich weder Kraft noch Zeit, auf die übliche Weise davon zu erzählen;
während meine Flügel in rhythmischer Erinnerung noch immer den Windstößen antworteten
und ich das Meersalz von den Federn und die Sonne und die Sterne aus den Augen schüttelte,
todmüde, da klammerte ich mich an den untersten Zweig und machte die einzige mir mögliche Äußerung
– Scharlachrot auf Weiß,
ein Bild, lang schon gedeutet
als blutige Tatsache oder Drohung.
Als sicher war, dass der Schnee zurückgehen würde, lernte ich von Neuem zu überleben,
ich fand Nahrung, dargeboten vom reumütig blühenden Wald.
Und dann, meine Blutfarbe aufgerollt, flog ich auf den höchsten Zweig, und ich sang
ausführlich, ohne Heftigkeit, eine kultivierte Version meiner Geschichte.
12
Ich bin die Hypotenuse.
Hier, belastet durch das Gewicht von Gegenkathete und Ankathete,
gleich anderen, nie gleich mir,
bringe ich mich in Einklang zur Befriedigung anderer, die mehr zählen als ich,
die dünn wie eine Wäscheleine in meinem fleischlosen Körper liegen,
die daliegen und quadrieren, kubieren, weiterführen und verbinden.
Ich bin die Hypotenuse. Ich begrenze
eine Form, die namenlos ist ohne mein Gefängnis.
Größer als Gegenkathete und Ankathete, erleide ich doch ihren Winkel – Gegenwart schaffend,
die Schatten, gebildet in der Krümmung unseres behüteten Lebens;
die Ecke der Weide, wo der eingedrückte Zaun gestützt wird, gespannt,
das Gras wächst durch den glänzenden Stacheldraht; Pilze kommen zum Vorschein
über Nacht; das alte Pferd steht auf, um den heißen Kegel seines strohdurchsetzten Mists fallen zu lassen.
Ich bin die Hypotenuse, aus einem südlichen Land. Ich begrenze vielleicht eine Farm über der Tasman-Bucht.
Seiten wenden sich, berühren meine Grenzen, schwarzer Druck, die Unterstreichungen unterstrichen.
Und eines Tages werde ich meine jetzt noch Rätsel aufgebenden Memoiren schreiben, beginnend mit:
«Pythagoras und ich …»
Sollte die Zeit mich verkleinern, werde ich zum Sinus, zur Gegenkathete, zum Cosinus, zur Ankathete,
und ungeachtet dessen, was ich war, werden wir beide Tangente spielen, in luftiger Höhe
zwischen den Sternen, den geformten und verformten.
Jemand sagte zu mir:
«Genau betrachtet, gibt es viel zu schreiben.
In meiner Freizeit hab ich mir jede Menge Geschichten ausgedacht,
Handlungen, Personen, alle möglichen Dramen – wissen Sie –,
und eines Tages versuch ich es vielleicht mit Schreiben.
Viele tun’s
und kommen damit davon
und verdienen ein Vermögen.
Man muss nur wissen, was die Leser wollen
und die Fernseh- und Filmrechte im Auge behalten,
etwas, aus dem sie ein Drehbuch machen können
im Handumdrehen, einfach so, nichts Ausgefallenes, nur
gutes, altmodisches Drama,
das einen an die Seite, den Bildschirm fesselt
– Sie wissen, was ich meine. Ich sage Ihnen,
vielleicht versuch ich es.
Es gibt so vieles, worüber man schreiben kann,
an das noch
Weitere Kostenlose Bücher