Auf dem Maniototo - Roman
Stimmen, Gehweisen und Gesten nachzuahmen.
Als Brian sagte, dass Lonnie viel mit Mose und James zusammen sein würde, versuchte ich mir vorzustellen, wie das mit Milch und Butter ernährte Kind aus Palmerston North, dessen Vater Blumen für die Blumenausstellung züchtete (waren es Lilien? waren es Rosen? oder Dahlien?), mit Mose und James und deren Freunden durch die Straßen von Baltimore zog. Brian, plötzlich ganz Vater, zerstreute meine Bedenken. «Die Erfahrung wird ihm guttun», sagte er.
Lonnie kam, eine Miniaturausgabe Brians, mit feuchter, blasser Haut und salzartigen Kristallen in den Strähnen seiner blonden Haare. Lonnies feuchtes Aussehen wurde noch unterstrichen durch seine rinnende Nase und seine Angewohnheit zu schniefen, so als habe er gerade aufgehört zu weinen. Er sah benommen, verängstigt und müde aus. Sein einziges Gepäcksstück war das, was man früher eine Gladstone-Tasche nannte, etwas, was ich zum letzten Mal bei meinem Großvater gesehen hatte – nach seinem Tod wurde seine Gladstone-Tasche in die Waschküche gestellt, wo ein grüner, pelziger Belag auf ihr wuchs und sie zu einem Zufluchtsort für Kellerasseln und Ohrwürmer wurde. Ich kann mich nicht entsinnen, dass er je damit gereist wäre, doch als er alt wurde und zu uns zog, war sie sein liebster Besitz. Ich sah denselben Stolz und dieselbe Achtsamkeit bei dem alten Mann, unserem Nachbarn in Blenheim, der sich weigerte, einen vorgefertigten Tragebehälter für seine Milchflaschen zu kaufen, zweiPappstreifen mit den Tragegriffen einer alten Heavenfield-Mall-Einkaufstüte zusammenheftete und, als er ins Altersheim gebracht wurde, darauf bestand, seinen Milchtragebehälter mitzunehmen.
Lonnies Gladstone-Tasche – offensichtlich alt, aber vor Kurzem auf Hochglanz gebracht – trug zu seinem altmodischen Aussehen bei. Sein Gesichtsausdruck war ernst, wie der Brians. Es war Abend, als er ankam, und er schlief schon fast, doch brachte er es noch fertig, uns seine Sammlung von Flugscheinen und die Urkunde vom Überschreiten der Datumsgrenze zu zeigen.
«Ist es nicht aufregend, in Amerika Ferien zu machen», sagte ich, eher als Feststellung denn als Frage, worauf er mürrisch erwiderte, dass sein Bruder und seine Schwester gerade die Cook-Meerenge überquerten, bis nach Invercargill, und dass er noch nie in Invercargill gewesen sei.
«Ich wollte immer schon nach Invercargill», sagte er sehnsüchtig.
«Aber
du
bist doch mit einem großen Düsenjet geflogen», sagte Brian.
Lonnie schniefte und sah ihn kühl an. «Wenn einem daran etwas liegt», sagte er.
Am nächsten Morgen schien Lonnie noch distanzierter und gleichzeitig feuchter und sagte ohne jede Begeisterung «Okay», als Brian versprach, zu Mittag Mose und James mitzubringen, und nachdem Brian zur Arbeit gegangen war und Lonnie und ich allein im Haus waren, saß er da, als warte er darauf, dass ich vorschlug, was er tun sollte. Er hatte Angst, und von Zeit zu Zeit schniefte er geräuschvoll durch die Nase.
Dann sah er den Fernsehapparat, den Brian selten einschalteteund den er unter dem Tisch vor den Augen der Diebe verborgen hielt, denen es alle fünf oder sechs Monate gelang, ins Haus einzubrechen und sämtliche tragbaren Geräte mitzunehmen.
«Kann ich fernsehen?», fragte Lonnie begierig und zeigte seine plötzliche Freude, indem er wieder laut schniefte.
Den ganzen Vormittag sah er fern, und als ich ihm vorschlug, mit mir einkaufen zu gehen und vielleicht in einem amerikanischen Five-and-Dime-Store herumzustöbern – «Du hast sicher von diesen Geschäften gehört?» –, sagte er, nein, es sei zu heiß draußen, es interessiere ihn nicht, und es könnten Gangster auf der Straße sein.
Dann bemerkte er den tragbaren Ventilator in der Ecke, holte ihn und schaltete ihn ein. Es war ein altes Modell, im Geschäft der Heilsarmee erstanden, mit großen scharfen Eisenblättern, die nur teilweise von einem Metallkäfig aus Stäben mit großen Abständen umgeben waren; zwei davon waren gebrochen.
«So ist es besser», sagte Lonnie, als die Blätter zu surren begannen. Er stellte den Ventilator auf die Höchststufe ein.
«Es ist heiß hier drin», sagte er.
Dann sah er sich im Wohnzimmer um, betrachtete die schweren Vorhänge, die vor dem vergitterten Fenster zugezogen waren, und blickte in das Halbdunkel, das nur von der Stehlampe neben dem Telefon erhellt wurde.
«Wo ist das Tageslicht?», fragte er. «Warum sollte ich rausgehen? Da gibt es nichts zu sehen.»
«Na
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