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Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Wochenende zurückkam, war er viel fröhlicher. Er erzählte ungezwungen von den Pferden und dem Pool. Er habe geholfen, die Pferde zu füttern und den Pool zu reinigen. Strand, wie zu Hause, habe es keinen gegeben, aber schließlich könne man nicht alles haben, und die Pferde waren S-U-P-E-R, und er war DRAUSSEN.
    Im Lauf der nächsten paar Tage trat wieder der Trübsinn an die Stelle seiner Fröhlichkeit, und er schaltete den Fernsehapparat und den Ventilator ein und spielte mit der Versuchung, «angesaugt» zu werden. Dann, eines Nachmittags, zeigte er mir die Münzen, die Edward, der ungefähr gleichaltrige Sohn, ihm geschenkt hatte.
    «Es sind echte Silberdollars», sagte er.
    Und das waren sie auch. Große, glänzende Silberdollars. Ich bewunderte sie und sagte, was für ein Glückspilz er sei.
    Er legte sie wieder zurück in den kleinen roten Flanellbeutel, in dem, wie er sagte, ein Kompass gewesen war, den er zum Geburtstag bekommen hatte. Der Rand des Beutels war mit Schlingstich gesäumt, und man konnte ihn mit einerSchnur zuziehen. Vorsichtig zog er an der Schnur und schaute mit einem Anflug von Seligkeit zu, wie sich der enge Hals des Beutels ganz über den Silberdollars schloss. Dann steckte er den Beutel in die Tasche seiner Shorts und ließ die Hand auf der Ausbuchtung liegen, wie um ihr Entweichen zu verhindern. Er sah noch immer aus wie der düstere, feuchte Lonnie, aber sein Elend war gelindert oder abbezahlt worden.
    «Ich freue mich schon darauf, wieder nach Hause zu fahren», sagte er. «Ich mag Baltimore nicht.»
    Wenige Stunden später rief Brian aus der Klinik an und verlangte Lonnie.
    «Dieser Bengel», sagte er mit zorniger Stimme, «er hat die Silberdollarsammlung der Nathans gestohlen. Sie sind ein wertvolles Familienerbe, und er hat sie allesamt geklaut.» Ich sagte, ich würde Lonnie holen, der Fernseher und Ventilator hatte sein lassen und zuhörte.
    «Edward hat sie mir geschenkt», sagte Lonnie und schaute mich an. «
Du
weißt das.»
    Ich reichte ihm den Hörer. Er nahm ihn, und noch bevor Brian das Wort ergreifen konnte, rief er laut, wie von einer Bergspitze zur anderen: «Edward hat sie mir aus Freundschaft geschenkt. Und Mr und Mrs Nathan wollten ausdrücklich, dass ich sie mitnehme, als Erinnerung an Amerika.»
    Ich hörte Brians Antwort. Es klang wie: «Du verdammter Lügner.»
    «Sie haben sie mir wirklich geschenkt», beharrte Lonnie.
    Dann begann er zu weinen, legte den Hörer auf und lief hinauf in sein Zimmer, und als Brian nach Hause kam, war Lonnie noch immer oben. Ich hatte Brian noch nie so wütend und ernst erlebt.
    «Er braucht eine Tracht Prügel», sagte er erbittert, währendich, nun voll Angst, bestürzt mitansah, wie er sich von einem fortschrittlichen Arzt, der sich an die Regeln von Liebe und Zuwendung hielt, in den Inbegriff des viktorianischen Vaters verwandelte, in den neuseeländischen Vater mit dem Ledergürtel in der Hand, bereit, auf seine Kinder einzuschlagen wie auf Rennpferde.
    «Ich glaube, ich sollte ihn verprügeln», sagte Brian nochmals.
    Er rief hinauf: «Lonnie, komm sofort runter.»
    Lonnie kam nicht.
    «Er hat Angst vor dir», sagte ich flehentlich. «Du willst das doch nicht wirklich tun.»
    «Diesmal vielleicht nicht. Aber er hat es herausgefordert. Von Rechts wegen verdient er eine ordentliche Tracht Prügel.»
    «Brian, sei nicht so unmenschlich.»
    «Ich bin nicht unmenschlich. Der Junge braucht eine Bestrafung. Aber diesmal schlage ich ihn nicht, jedenfalls nicht, wenn er das Geld zurückgibt und sich entschuldigt. Was glaubst du, wie ich mich fühle? Seinetwegen habe ich ihre Gastfreundschaft in Anspruch genommen, und er stiehlt ihr Familienerbe. Ein Familienerbe! Geh du hinauf und rede mit ihm.»
    Ich ging hinauf und versicherte einem verheulten Lonnie, Brian würde ihn nicht schlagen, er wolle nur, dass er das Geld zurückgebe und sich bei den Nathans entschuldige.
    Lonnie versuchte es nicht noch einmal mit einer Lüge. Er gab zu, die Dollars aus einer Schachtel auf der Kommode im Schlafzimmer der Nathans genommen zu haben, und als Brian fragte, ob welche fehlten, sagte Lonnie tapfer, ja, er habe ein paar auf den Rasen der Nathans hinuntergeworfen, um imKompassbeutel mehr Platz zu schaffen. Später erzählte mir Marjorie Nathan, die sich auch vor Brians Zorn fürchtete, im Vertrauen, dass der Kompassbeutel Edwards Geburtstagskompass enthalten hatte, den sie zusammen mit den restlichen Silberdollars ebenfalls auf dem Rasen

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