Auf dem Maniototo - Roman
siebzig», sagte Theo in einem normalen, gleichmütigen Tonfall. Er selbst sah aus wie etwa fünfundsechzig,mit lockigen, dichten weißen Haaren und einer Statur, die man für gewöhnlich «sportlich» nennt, mit der Andeutung eines Bauches, einem kleinen Sims aus Fleisch, der über seinem Gürtel vorsprang. Solche Details sind abstoßend, ich weiß, doch Theo war ein Mensch, der seinem Körper offensichtlich Aufmerksamkeit schenkte und zu verstehen gab, dass er diese Aufmerksamkeit auch von anderen erwartete. Er war pensionierter Agrarexperte, sein Spezialgebiet waren der Boden und seine Erosion. Sein Gesicht war gebräunt vom Leben in Kalifornien und der praktischen Arbeit «vor Ort», und seine Stimme war ziemlich laut und eindringlich. Zita war bedeutend jünger, vielleicht Anfang dreißig oder sogar erst Ende zwanzig. Sie hatte einen ungarischen Akzent mit neuseeländischem Beiklang.
«Ich glaube, es ist allgemein bekannt», sagte Theo, «dass ich Irving Garrett zu seiner Anstellung verholfen habe. Nicht direkt, aber es war zum Großteil mein Einfluss.»
Er erläuterte nicht, was er getan hatte. Stattdessen wandte er sich zu Zita, umarmte sie kurz und lächelte.
«Ich habe sogar meine eigene Frau aus einer Welt voller Unglück errettet, nicht wahr, Liebes?»
Zita sagte nichts. Sie betete ihn sichtlich an. Die beiden schienen sehr verliebt zu sein.
«Irving und Trinity haben gesagt, dass wir, falls ihnen etwas zustoßen sollte – sie meinten es natürlich im Scherz –, Erinnerungsstücke bekommen sollten – Sie verstehen doch …»
«Natürlich», sagte ich hastig, im Bewusstsein, ein Eindringling zu sein.
«Unsere Wohnung ist so winzig. Deshalb sind wir auf der Suche nach einer neuen. Jetzt, wo Theo im Ruhestand ist …»
«Von Zeit zu Zeit halte ich Vorträge.»
«Und er schreibt ein Buch über Erosion. Bodenerosion. Versucht, auf so beengtem Raum in der Wohnung zu arbeiten.»
Ich spürte Zitas Beharrlichkeit.
«Kennen Sie die Prestwicks?», fragte ich und fügte hinzu (in Erinnerung an eine ältere Frau aus Blenheim, die Menschen immer mit ihrem «Ort» gleichsetzte – die Rotorua-Wallaces, die Westküsten-Wilsons): «Die Londoner Prestwicks. Roger und Doris. Sie ist auch Neuseeländerin, soviel ich weiß.»
«Wir trafen sie kurz in London. Wir haben Irving und Trinity auf ihrem Weg nach Italien bis dorthin begleitet. Voriges Jahr. Sie fuhren jedes Jahr.»
«Sie mussten einfach nach Italien fahren. Sie waren so begeistert davon.»
«Haben Sie nicht das Gefühl, dass ihr Haus eher wie ein Haus wirkt, in dem
junge
Leute wohnen? Sie hatten keine Kinder, nicht wahr? Niemanden?», fragte Zita.
«Niemanden», sagte ich. «Haben Sie Kinder?»
«Theo hat drei reizende Kinder von seiner ersten Frau. Sie sind schon erwachsen. Theo und ich haben keine Kinder.»
«Wir haben uns.»
Ein Lächeln, noch eine Umarmung. «Und Sie?»
Flink verbarg ich meine unermessliche innere Freude, um sachlich zu erscheinen, in einem sachlichen Licht.
«Ich habe zwei Ehemänner begraben», sagte ich. «Ich habe zwei Kinder, die erwachsen und aus dem Haus sind. Die Prestwicks haben mir erzählt, sie hätten kleine Kinder. Sie lassen sie bei den Großeltern, wenn sie herkommen. Übermorgen.»
Zita und Theo schienen beide beunruhigt, als hätte man ihnen Zeit gestohlen. «Er ist freier Journalist», sagte Zita.«Und sie war oder ist Geographielehrerin. Und sie wohnen hier im Haus?»
«Natürlich», sagte ich.
«Ist denn genug Platz?»
Ich sagte, es gebe reichlich Platz, und schlug ihnen vor, doch gleich einzuziehen.
«Für etwa zwei Wochen», sagte ich vorsichtig. Sie könnten das Arbeitszimmer mit dem angrenzenden Bad haben. «Also dann morgen», sagten sie.
«Während Sie sich eine neue Wohnung suchen.»
An dem Abend überzog ich die ausziehbare Doppelcouch im Arbeitszimmer und das Ehebett im großen Schlafzimmer und brachte meine zwei Koffer und die anderen Sachen hinunter in die kleine Wohnung, wo ich ganz für mich allein zu wohnen beabsichtigte. Ich musste mich ständig dazu ermahnen, dass es meine Pflicht war, die Gäste willkommen zu heißen, und der Gedanke amüsierte mich, dass ich sie, wären es literarische Figuren gewesen, einer viel genaueren Prüfung unterzogen und ihnen vielleicht den Zutritt ins Haus verwehrt hätte. Soviel ich ihren Briefen und Gesprächen entnehmen konnte, hatte jeder von ihnen die Absicht, ein Buch zu schreiben oder Material zusammenzutragen, das «eines Tages» ein Buch
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