Auf dem Maniototo - Roman
wieder.
«Theo!»
Unvermittelt verließ sie ihren Platz im Muster des Sonnenrahmens und rannte hinaus, um ihn zu begrüßen; dabei streifte sie die Purpurwinde, die neben dem Weg wuchs, und sah sie an wie eine Fremde. Den abgestorbenen Baum, den die Pflanze umschlang, beachtete sie gar nicht und lief zum Auto.
32
«Er ist plötzlich krank geworden», sagt Doris zur Warnung, als Zita sich dem Auto nähert. «Es muss die Hitze gewesen sein.»
«Wir haben ihm gesagt, dass er nicht in die Wüste fahren soll. Oder wir haben es uns wenigstens gedacht. Ich glaube nicht, dass er sehr kräftig ist, er ist kein Freiluftmensch, er ist Engländer; die Hitze in der Wüste …»
Zita hält verwirrt inne, als sie sieht, wie Roger, offensichtlich völlig gesund, die Heckklappe des Autos öffnet. Er ruft ihr zu: «Er soll sich sofort hinlegen und sich schonen.»
Zita blickt befremdet. «War Theo auch in der Wüste?»
«Nein, er ist im Motel krank geworden.»
Zita ringt nach Atem. «Es ist also Theo? Was ist passiert?»
Aber bestimmt ist alles in Ordnung, Theo steigt schon aus und winkt und kommt auf sie zu. Er ist blasser als sonst, und er spricht langsam und lässt Lücken zwischen den Wörtern, aber es sind nur Lücken, keine tiefen, trennenden Schluchten.
«Ein … Schwindel…anfall. Es geht schon, Liebling.»
«Die Sonne. Bei dieser Hitzewelle. Sogar die, die die Sonne gewohnt sind wie du, Theo …»
Klarerweise möchte er sagen, «ja, es war die Sonne», weil er durch das Eingeständnis von Schwäche und Krankheit seinen Lebensanteil an Ansehen und Selbstvertrauen zu verlieren fürchtet. Er und Zita haben geschworen, ehrlich zueinander zu sein – das ist nicht schwierig, denkt er, aber wie kann er ehrlich zu sich selbst sein?
Er sagt zustimmend: «Ja, die Sonne. Sonnenstich. Das kommt vor.»
Als Doris und Roger das hören, sind sie erst überrascht und dann erleichtert, dass das Erklärungsspiel vereinfacht worden ist. Aber sie sehen die offenkundige Angst in Zitas Gesicht, als die furchtbaren Vorstellungen sie einholen: Irgendetwas ist mit Theo passiert. Plötzlich, durch den Eingriff der Wahrheit, ist er nicht mehr der «alte» Theo. Ihre Angst ist umso größer, als sie weiß, dass Theos Hoffnungen wie Orden, die man sich selbst verleiht, darauf geheftet sind, weiterhin über die Macht zu verfügen, welche die sichere Gewähr körperlicher und geistiger Veränderung nichtig macht, die einzige Gewähr, die, wie sie beide im Innersten wissen, noch nie versagt hat; doch weil sie an Theo glaubt, hat sie auch an seine Leugnung dieser Gewähr geglaubt. Nun wünscht sie sich, dass seine Krankheit schwer genug ist, um sie beide zu der Erkenntnis zu zwingen, dass ihre Unveränderlichkeit ein Traum war und dass Veränderung kein fortgesetzter Albtraum sein muss. Sie verrät keinen dieser Gedanken. Sie lacht.
«Sonnenstich! Theo, du schlimmer Junge. Ich muss mich über dich wundern.»
«Er muss sich schonen», beharrt Doris in sachlichem Ton, sie gibt keine hysterischen Ratschläge, die um jeden Preis befolgt werden müssen, aber ihre Besorgnis ist deutlich. Sie ist eifersüchtig darauf, dass jeder Zita beschützen will, und auf deren sichtliche Bereitwilligkeit, beschützt zu werden, auf ihre unwiderstehliche Verletzlichkeit, wohingegen Doris sich so gewöhnlich und unspektakulär vorkommt wie ein Batisttaschentuch – nützlich, sauber, geeignet, Tränen zu trocknen und danach gefaltet zu werden, quadratisch und verschwiegen.
«Der Arzt im Motel sagt, er muss sich schonen», sagt Roger. Doris und Roger warten beide darauf, dass Theo dieWahrheit sagt, den Kreis der Informationen sanft schließt, statt ein scharfes, spitzes Dreieck übrig zu lassen, das verwunden kann, bis Blut fließt – wessen Blut?
Nachdem Zita einwandfrei festgestellt hat, dass Theo einfach «ein schlimmer Junge gewesen» ist, ergreift sie die Initiative.
«Ich bringe ihn sofort ins Bett, und ihr ruft den Arzt an – Dr. Grant unten in der Oak Street. Die Nummer steht im Telefonbuch. Komm, Liebes, stütz dich auf mich.»
Zu jedem anderen Zeitpunkt riefe «stütz dich auf mich» Gelächter hervor. Der große, stämmige Theo. Die zerbrechliche, goldhaarige Zita, ganz aus Spitzen gewebt. Stütz dich auf mich!
Sie führt Theo in Irving Garretts Arbeitszimmer, ihr Schlafzimmer, da das «große» Schlafzimmer den Prestwicks zugestanden worden ist, die ja von «auswärts» hergeflogen waren. Während sie die Decke des ausziehbaren Doppelbetts unter
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