Auf dem Rücken des Tigers
gabelte einen der auf den Gängen herumlungernden Anwälte auf. Er sprach mit dem Richter. Er hörte sich an, als schacherten zwei Gebrauchtwagenhändler um einen alten Ford.
Ich zahlte hundert Dollar Strafe, zwanzig für das Gericht und fünfzig für den Anwalt, per Scheck. Dann hinterließ ich noch einen Scheck über 500 Dollar für den Saxophonisten, der nicht so billig wie ich davonkommen würde, da er für seine schwarze Haut Zuschlag zahlen mußte.
Nach meiner Entlassung stand ich unter der Dusche und versuchte die Nacht aus meinen Poren zu schwemmen. Ich band meine Krawatte so sorgfältig, wie es mit einem Auge möglich ist, da das andere noch geschlossen war.
Ich legte rohes Fleisch auf mein Gesicht, aber in einer Stunde war wenig zu machen.
Dann kam das Taxi, das mir Wolfgang geschickt hatte. Er fluchte, die heilige Handlung vergessend, und untersuchte mein Auge.
»Schwein gehabt«, stellte er fest und schubste mich wieder in das Taxi.
Während es auf die Kathedrale zufuhr, hielt ich meinen Magen mit den Händen und wagte Laura nicht anzusehen, obwohl ich mich ihr ehrlich präsentiert hatte, wenn man den dunklen Anzug abzog.
»Sie haben Ihren Polterabend gehabt?« fragte sie.
»Warum heiraten Sie?«
»Ist das nicht eine frauliche Bestimmung?«
»Als Frau eines Oberarztes in einer öden Kleinstadt des Mittelwestens zu verkümmern?«
»Halt den Mund!« sagte Wolfgang.
»Wie alt sind Sie?«
»Dreiundzwanzig.«
»Sie würden auch mit Dreißig noch einen Mann bekommen«, sagte ich.
»Danke«, erwiderte Laura. »Vielleicht komme ich in sieben Jahren wieder auf Sie zurück.«
Sie trug Weiß, eine Farbe, die ich nicht ausstehen kann: Weiß, die Farbe der Ärztekittel, der Leichenhemden, der Bandwürmer; Weiß, die Farbe der Kapitulation.
Ihr Gesicht wirkte ruhig, ihr Blick klar. Das lange Kleid verbarg ihre Beine. Aber es gehörte wenig Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie sie waren.
Es war mir, als spürte ich ihre Pfennigabsätze im Nacken.
»Es geht bestimmt nicht gut«, sagte ich. »Ich kenne Wolfgang.«
»Wenn du jetzt nicht ruhig bist«, fuhr er mich an, »dann verzichten wir auf deine geschätzte Mitwirkung.«
»Okay«, versetzte ich, »dann tut, was ihr nicht lassen könnt. Ich habe euch jedenfalls gewarnt.«
Man konnte sich nicht schlimmer danebenbenehmen, als ich es tat, Laura überging es, und Wolfgang war nicht nachtragend. Ich hatte in der Art eines Betrunkenen auf sie eingeredet, aber ich war nicht betrunken, sondern hellwach.
Endlich hielt das Taxi vor dieser US-Imitation des Kölner Doms. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich, ramponiert, doch gefaßt, der Weihe dieses Hauses anzupassen.
Ich schritt durch das Portal, an Wolfgangs Seite, paßte mich im Schritt mechanisch dem getragenen Klang des Chorals an und starrte verbissen in das Kerzenlicht, das ich vorwiegend aus Striptease-Höhlen kannte.
Der Weihrauch stach in Nase und Lunge, erzeugte eine neue Übelkeit.
Dann trat aus der Sakristei ein Geistlicher. Er war dick und untersetzt und sah in seinem Chorgewand aus wie ein maskierter Eunuch. Ich starrte ihn feindselig an, rüstete mich mit Widerwillen gegen das süßliche Eiapopeia vom Himmel.
Er sprach kurz und schlicht.
Er sagte, als er die Stola um Lauras und Wolfgangs Hand legte, daß die Ehe von Gott käme und unauflösbar sei. Es war ein zur Formel erstarrtes Postulat, längst mit Füßen getreten. Beinahe erstaunt merkte ich, daß ich zuhörte. Die Worte erhielten einen Sinn, und meine Abneigung zerlegte sich in Vorurteile.
Auf einmal ärgerte ich mich über alle Nachtschuppen, die das Kerzenlicht mißbrauchten, und über alle Phrasen, die den Eingang zum Evangelium verschütteten. Ich sah nicht mehr auf den Eunuchenleib des Geistlichen, sondern ich folgte den Worten, betrachtete dieses stille, fast ein wenig naive Gesicht, die guten Augen, einen Mund, der sich bemühte, auf Pomp wie auf Drohung zu verzichten.
Ein Stück Leben spulte zurück, rasend schnell: Ich stand in einer anderen Kirche, als junger Konfirmand, durch Glauben geschützt wider alle Ungeheuerlichkeiten des Lebens. In meinen Gedanken wiederholte ich die Worte von damals, und verwundert stellte ich fest, daß ich betete, seit langem wieder, und mich nicht schämte dabei.
Aber ich stand neben Laura und Wolfgang, die sich Treue gelobten, wie ich sie für einen biologischen Selbstmord hielt. Ich wollte, daß ihr Vorsatz in Erfüllung gehe und sie recht behielten. Ich nahm mir vor, sie nicht
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